FSU Newsletter 07
12 FSU-Newsletter/Frühjahr 2018 Faszination des Bösen Das Böse übt seit jeher einen morbiden Zauber auf das Pub- likum aus. In der jungen Bundesrepublik ergötzten sich Leser und Kinogänger an der dämonischen Figur des Massenmörders Bruno Lüdke. Der Journalist und Bestseller-Autor Will Berthold legte mit 15 „Tatsachenberichten“ über Lüdke eine „Leim- spur“ für das Publikum. Der junge Mario Adorf brillierte 1957 als Lüdke in dem preisgekrön- ten Film „Nachts, wenn der Teufel kam“. Der Mensch Bruno Lüdke geriet bei demTrubel voll- ends in den Hintergrund. 1940 wurde er auf Be- schluss eines „Erbgesundheitsgerichts“ wegen „erblichen Schwachsinns“ zwangssterilisiert, drei Jahre später verhaftet. In suggestiven Ver- hören nahm er 53 Mordfälle auf sich, vornehmlich an Frauen, seit 1924 im gesamten Reichsgebiet verübt. 1944 kam Lüdke imWiener „Kriminalmedizinischen Zentralinstitut“ ums Leben. Dr. Axel Doßmann von der Uni Jena und Prof. Dr. Susanne Regener von der Uni Siegen haben jetzt das Buch „Fabrika- tion eines Verbrechers“ veröffentlicht. Dieses klärt auf über Kriminalität, Gewalt und rassistische Menschenbilder im 20. Jahrhundert, ist dabei spannend wie eine Detektivgeschichte. „Zweifellos war Bruno Lüdke ein NS-Opfer und kein Massen- mörder“, sagt Doßmann. Schon in den 1990ern hatte der Krimi- nalist Jan A. Blaauw bewiesen, dass Lüdke wohl keine einzige der ihm zur Last gelegten Taten begangen haben kann. sl Bibliographische Angaben: Axel Doßmann, Susanne Regener: „Fabrikation eines Verbrechers. Der Kriminalfall Bruno Lüdke als Mediengeschichte“, Spector Books, Leip- zig 2018, 332 Seiten mit 386, teilweise farbigen Abbildungen, 38 Euro, ISBN: 987-3-95905-034-0 Neue Bücher 3.000 Jahre Keilschrift Mehr als 3.000 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Jena und dem ehemaligen Mesopotamien – und doch befindet sich hier eines der wichtigsten Zentren zur Erforschung der Wiege un- serer Zivilisation. Zu verdanken hat das die Uni Jena den über 3.300 Exponaten der Hilprecht-Sammlung Vorderasiatischer Altertümer. Ein kürzlich erschienener Katalog stellt einige von ihnen vor und gewährt Ein- blick in einen wissenschaftlichen Schatz, der Forscher weltweit nach Jena blicken lässt. Dabei hat der Gründer der Sammlung so gut wie nie in Jena gewirkt. Da jedoch seine erste Frau Ida 1902 in Jena starb, vererbte der Altorientalist Hermann Volrath Hilprecht seine Sammlung nach seinem Tod 1925 der hiesi- gen Universität. Inzwischen ist sie die zweitgrößte ihrer Art in Deutschland. „Unsere Sammlung, die vor allem Keilschrift- tafeln umfasst, sticht dabei nicht nur durch die reine Menge hervor, sondern vor allem durch ihre Reichhaltigkeit“, sagt der Sammlungsleiter Prof. Dr. Manfred Krebernik. DieTexte bilden eine breite Zeitspanne ab – von der frühdynastischen Zeit (26. Jh. v. Chr.) bis in die hellenistische Zeit (3. Jh. v. Chr.). Die Autoren, unter ihnen viele Studierende, informieren auf sehr zugängliche Art über die Inhalte ihrer Wissenschaft, erklären die verschiedenen Keilschriften und ihre Sprachen. sh Bibliographische Angaben: Peter Stein (Hg.): „Hilprecht-Sammlung Vorderasiatischer Altertümer“, Friedrich-Schiller-Universität Jena 2017, 150 Seiten, Preis: 14,80 Euro, ISBN 978-3-9818697-2-9 Vergangenes Unrecht Bei einer feierlichen Gedenkveranstaltung am 9. November 2016 wurde in der Aula 25 Wissenschaftlern posthum der Doktortitel wieder zuerkannt, der ihnen während der NS-Zeit aberkannt worden war. Damit wurde symbolisch das Unrecht der sogenannten Depromotionen rückgängig gemacht. Bei weiteren 20 Wissenschaftlern wurde die Rehabilitierung be- kräftigt, die ihnen bereits im Sommer 1945 zuteil wurde. „Die 45 Träger des Doktortitels, denen heute unser Gedenken gilt, werden damit wieder ein Teil unserer Alma Mater Jenensis“, sagte Prof. Dr. Walter Rosenthal in seiner Rede. Die Arbeit der Kommission, die die Rehabilitationen gefor- dert hatte, sowie der Akt der Wiedergutmachung sind nun dokumentiert in einer Broschüre mit dem Titel „Ein Unrecht, das nicht weiterwirken darf“, herausgegeben von Walter Ro- senthal. Sie ist erhältlich im Uni-Shop (Carl-Zeiß-Str. 3 / www. uni-shop-jena.de).Im Uni-Archiv fanden sich Akten, die insge- samt 61 Depromotionen während der NS-Zeit belegen. Bei der Beurteilung der Einzelfälle war die zentrale Richtschnur die Frage, ob die Entziehung des Doktortitels als NS-Un- recht anzusehen ist oder nicht. sl Bibliographische Angaben: Walter Rosenthal (Hg.): „Ein Unrecht, das nicht weiterwirken darf. Die Entziehung von Dok- torgraden an der Universität Jena in der Zeit des Nationalsozialismus. Dokumentation der Gedenkveranstaltung am 9.11.2016“, Jena 2018, 67 Seiten, 9 Euro, ISBN: 978-3-96049-025-8 Nur nachhaltig ist gerecht Zugang zu sauberem Trinkwasser. Es gibt wohl kaum jeman- den, der dieser Forderung als Menschenrecht der UN-Gene- ralversammlung nicht zustimmen möchte. Ebenso unstrittig dürfte sein, dass die Umsetzung, global betrachtet, noch lange nicht zufriedenstellend erreicht ist. Dazu hat sich der Jenaer Volkswirt Dr. Wolfgang Bretschneider im Rahmen seiner Dis- sertation an der Uni Leipzig Gedanken gemacht und seine Er- gebnisse nun in Buchform veröffentlicht. Die flächendeckende Umsetzung des Rechts auf Wasser scheitere, so seine Analyse, bereits daran, dass bislang gar nicht geklärt ist, was mit dieser Forderung konkret ge- meint ist: „Muss das Wasser aus einem Leitungs- netz direkt ins Haus kommen, muss es rund um die Uhr verfügbar sein und wieviel darf es kosten?“ In dem Band widmet sich Bretschneider zunächst allem, was dem Zugang zu Wasser entgegensteht wie Wasserpreis oder räumliche Entfernung. „Es kann nicht darum gehen, das Menschen- recht auf Wasser von vornherein als Anspruch auf uneingeschränkte Verfügbarkeit, rund um die Uhr, mit Haus- anschluss und entgeltfrei zu definieren“, stellt er auch klar. Die Grundsatzdebatte um eine Versorgung aus öffentlicher oder privater Hand führe am Kern des Problems vorbei. Bretschnei- der bindet in die Idee eines Zugangsrechts die Nachhaltigkeit ein: „Nur was nachhaltig funktioniert, ist auch gerecht.“ US Bibliographische Angaben: Wolfgang Bretschneider: Das Menschenrecht auf Wasser als Allokati- onsproblem. Versorgungsgerechtigkeit als institutionenökonomisches Konzept zur Umsetzung des Anliegens im Rahmen einer nachhaltigen Trinkwasserwirtschaft, Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2017, 288 Sei- ten, Preis 59 Euro, ISBN 978-3-16-155299-1
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