FSU Newsletter 06
15 FSU-Newsletter/Winter 2017 Internationales Vom Kompost zum Kunststoff Angesichts knapper werdender Rohstoffe machen sich immer mehr Forscher die Suche nach erneuerbaren Materialien in sämtlichen Lebensbereichen zur Aufgabe – einer von ihnen ist der brasilianische Chemiker Dr. Jean Marcel R. Gallo, der zu Gast an der Uni Jena ist. Im Rahmen eines Capes-Hum- boldt-Forschungsstipendiums widmet er sich hier für ein Jahr der Erkundung einer alternativen Herstellungsmöglichkeit von Kunststoff. „Plastik wird derzeit aus nicht erneuerbaren fossilen Rohstoffen hergestellt, die teuer sind und auf lange Sicht knapp werden“, erklärt Gallo. Bereits in den vergange- nen Jahren habe sich gezeigt, dass sich durch die Nutzung von Biomasse als erneuerbarer Kohlenstoffquelle die gleichen Monomere erhalten lassen, die die chemische Industrie für die Kunststoffherstellung nutzt. In der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Winfried Plass am Institut für Anorganische und Analytische Chemie lotet Jean Marcel R. Gallo nun aus, welche Prozesse dabei ablaufen. Im Idealfall könne die Produktion von Plastik aus pflanzlichen Abfällen dadurch ihren Weg in die Industrie finden. In Brasilien unterrichtet er seit 2013 an der Universität São Carlos. Seine Promotion schloss er 2010 in Italien und Brasilien ab. Seit seinem Postdoc an der University of Wisconsin-Madison in den USA befasst er sich mit Strategien zur Anwendung erneuerbarer Rohstoffe – wie der Herstellung von Grundchemi- kalien für industrielle Prozesse und Kraft- stoffe. jd Schutz vor Krieg und Verfolgung Irakischer Wissenschaftler findet Zuflucht an der Universität Jena Der irakische Politikwissenschaftler Prof. Hani Alyas Khadher hat in Deutschland Zuflucht gefunden vor Krieg und Verfol- gung in seiner Heimat. Im Rahmen der Philipp Schwartz-Initiative der Alexander von Humboldt-Stiftung bietet die Uni- versität Jena ihm nun ein neues wis- senschaftliches Umfeld. „Ich bin froh und dankbar, endlich wieder arbeiten zu können“, sagt Prof. Khadher. Am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte forscht der 64-jährige Iraker über Menschenrechte in der arabischen Welt. Ein Fokus liegt dabei auf den Ent- wicklungen in seinem Heimatland Irak. Das Projekt ist eingebettet in die Tätig- keit des Arbeitskreises Menschenrechte im 20. Jahrhundert – einer interdiszipli- nären Forschergruppe, die vom Jenaer Historiker Prof. Dr. Norbert Frei geleitet wird und deren Ziel es ist, den Aufstieg der Menschenrechte zu einem Schlüs- selbegriff politischer Kommunikation im letzten Jahrhundert zu historisieren. In seiner Heimat Irak sei der normale Lehrbetrieb nicht mehr möglich, erzählt Prof. Khadher. Es gebe Mordanschläge auf Wissenschaftler, etwa 5.000 Kolle- gen seien wie er geflohen, um die 600 seien getötet worden. Zu den ermorde- ten Kollegen gehöre der Präsident der Universität Bagdad, für den er selbst ge- arbeitet habe. Alles anders seit 2003 Die prekäre Lage für dieWissenschaft habe 2003 begonnen, mit dem Ein- marsch der Amerikaner im Irak. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Uni Bagdad zu den besten gehört, viele Studierende seien sogar aus dem Ausland gekom- men, sagt er. In umgekehrter Richtung seien viele Studierende für ihren Master nach Europa gegangen. Heute sei die At- mosphäre an der Uni schwierig; Khad- her wurde 2011 selbst bedroht, er ging deshalb nach Erbil, in den kurdischenTeil des Iraks. Doch 2015 sei dort ein Gesetz erlassen worden, das nicht-kurdischen Dozenten die Lehrerlaubnis entzog. Hani Alyas Khadher entschloss sich mit seiner Frau und seiner Tochter zur Flucht nach Europa. Der Kontakt zur FSU kam über das „Scholars at Risk Network“ zustande. Der Antrag, Prof. Khadher in Jena aufzu- nehmen, entstand in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Büro der FSU, das sich bereits mit einer Reihe von An- geboten für die Unterstützung von Ge- flüchteten einsetzt, z. B. mit dem Gast- hörerprogramm für studieninteressierte Flüchtlinge. sl Der irakische Politik- wissenschaftler Prof. Hani Alyas Khadher forscht ab sofort in Jena. Dynamiken hinter Ideologien Der Nationalismus hat sich breitgemacht im vereinten Europa. Das zeigen nicht nur die Wahlergebnisse in Staaten wie den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und Österreich. Doch warum sind eigentlich so viele Menschen empfänglich für diese Sicht auf die Dinge? Dr. Julia Elad-Strenger versucht, darauf Antworten zu finden – für ein Jahr tut sie das nun auch an der Uni Jena, unterstützt mit einem Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung. Als politische Psychologin erforscht sie die psychologischen Mechanismen, die politischen Phänomenen zugrundeliegen. „Gerade wenn sich Menschen in ihren Lebens- gewohnheiten, ihrer Identität und ihrem Besitz bedroht fühlen, dann suchen sie zum einen Bindung zu gleichförmigen Gruppen und zum anderen Erklärungen, die ihre Realität vereinfachen“, erklärt Elad-Strenger. „Grundsätzlich kenne ich das aus meinem Heimatland Israel. Allerdings spaltet dort ein andauernder inne- rer Konflikt die Gesellschaft – den gibt es nicht in Deutschland, nicht in Österreich und auch nicht in den USA. Dort müssen es andere Bedrohungsszenarien sein, die eine Eigendynamik entwickeln und die Situation derzeit besonders machen.“ Auch die Politik suche zunehmend den Kontakt zu politischen Psychologen. Ihr Gastgeber Prof. Dr. Thomas Kessler und das Institut für Psychologie sind wichtige Gründe, warum sich Elad-Strenger für Jena entschieden hat. „Die Vielseitigkeit der For- schung und der Wissenschaftler hier ma- chen die Arbeit für mich zu einer einzigarti- gen Gelegenheit“, sagt sie. sh Dr. Jean Marcel R. Gallo. Dr. Julia Elad-Strenger. Foto:Günther Foto:Günther Foto:Günther
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