Lichtgedanken 05

Rubrik 50 Zu Quantenmechanik und Gravitati- onstheorie besteht nicht nur bei vielen Laien Ratlosigkeit, auch für Physiker liegen dazwischen Welten. Während bei ersterer Moleküle mit 800 Atomen die größtmögliche Untersuchungsein- heit bilden, werden zum Erforschen der Gravitationskraft erst Massen ab meh- reren hundert Gramm relevant. »Das entspricht in etwa dem Verhältnis eines Salzkorns zum Mount Everest«, erklärt Dr. André Großardt. Der theoretische Physiker möchte diese Diskrepanz deutlich verringern, »um in der Zukunft die Wechselwirkung von Quantenmechanik und Gravitation ex- perimentell untersuchen zu können.« Für das außergewöhnliche Vorhaben hat er von der VolkswagenStiftung ein Freigeist-Fellowship erhalten. Die Stif- tung fördert sein Projekt »Dekohärenz in gravitierenden Quantensystemen und Quantensystemen im Gravitati- onsfeld« über fünf Jahre mit einer Sum- me von rund 960000 Euro. Aus rund 90 Bewerbungen aller Fachrichtungen wurden acht Fellows mit unkonventio- nellen und gewagten Forschungsideen ausgewählt. Offene Fragen der theoretischen Physik klären Großardt wird ab 2019 am Institut für Theoretische Physik eine Nachwuchs- gruppe mit drei Doktoranden leiten. »Bislang gibt es für die allgemeine Relativitätstheorie keine Quantenbe- schreibung. Umgekehrt wird auch die Quantenmechanik nur ohne Berück- sichtigung der Gravitation untersucht«, erläutert er. »Wir möchten bedeutende offene Fragen der theoretischen Physik klären und damit den Grundstein für Experimente legen, die bald möglich sein könnten.« Die Vereinigung der bisher als unver- einbar geltenden Forschungsfelder könnte unter Nutzung des Superposi- tionsprinzips gelingen. »Durch Super- position können quantenmechanische Teilchen an zwei Orten zugleich sein. In diesem Zustand wollen wir die An- ziehung untersuchen, um mit Hilfe von Laborexperimenten Einblicke in das Zusammenspiel von Gravitation und Quantentheorie zu erhalten«, sagt der 33-jährige Freigeist-Stipendiat. In den anvisierten Experimenten wür- den Salzkorn und Mount Everest ein- ander angenähert, so dass sich im Größenverhältnis eher Elefant und Frei- heitsstatue begegnen. »Ein denkbares Ergebnis wäre, dass die Gravitation als Quantentheorie beschrieben werden kann: Die Teilchen würden ein ähnli- ches Verhalten an den Tag legen, wie es für die elektrische Kraft bereits un- tersucht und verstanden ist. Alternativ könnten die untersuchten Teilchen auch die Eigenschaften entsprechend der Re- lativitätstheorie behalten, dann entzöge sich die Gravitation der Quantentheorie und wäre von anderen Kräften grund- sätzlich verschieden.« André Großardt wurde dieses übergrei- fende Interesse in die wissenschaftliche Wiege gelegt: Während er sich in sei- ner Promotion mit Einsteins Relativi- tätstheorie befasste, verschrieb er sich als Postdoc vorrangig der Quantentheo- rie. Aktuell arbeitet er zudem eng mit Experimentalphysikern zusammen. Grenzen überschreiten Physiker Dr. André Großardt wagt den »Spagat« zwischen Quantenmecha- nik und Gravitationstheorie. Für eine unkonventionelle Forschungsidee erhält er ein mit knapp einer Million Euro gefördertes Freigeist-Fellowship der VolkswagenStiftung. TEXT: JULIANE DÖLITZSCH Mit dem Freigeist-Fellowship fördert die VolkswagenStiftung außergewöhn- liche Forscherpersönlichkeiten, die sich zwischen etablierten Forschungsfeldern bewegen, risikobehaftete Wissenschaft betreiben möchten und deren Promotion maximal vier Jahre zurückliegt. Durch vorausschauendes Agieren sollen die Freigeist-Fellows »zum Katalysator für die Überwindung fachlicher, institutionel- ler und nationaler Grenzen« werden, so die VolkswagenStiftung. André Großardt versucht, zwei bislang als unvereinbar geltende Forschungsfelder zu vereinen.

RkJQdWJsaXNoZXIy OTI3Njg=