Lichtgedanken 05
Rubrik 43 05 | LICHT GEDANKEN sonality, Identity, and Relationship Ex- periences in Adolescent Trajectories« – befragten sie 741 Schülerinnen und Schüler im Alter von 14 bis 17 Jahren, 457 von ihnen absolvierten ein solches Auslandsjahr. Selbstbild wird während des Aus- landsaufenthalts deutlich hinterfragt »In der Regel schreitet die Identitäts entwicklung während des Erwachsen- werdens relativ geradlinig fort«, sagt Prof. Dr. Franz J. Neyer, der die Studie gemeinsam mit seinen Kollegen Dr. Henriette Greischel und Prof. Dr. Pe- ter Noack durchgeführt hat. »Doch wir konnten zeigen, dass es in diesem Prozess auch auf und ab gehen kann.« Erstmals sei dies nun im Längsschnitt belegt, da die Jenaer Psychologen die Schüler vor, während und nach dem Auslandsjahr befragten und somit auch die Transitionsphasen abbilden konn- ten. Dadurch erfuhren die Forschenden, dass Jugendliche aufgrund der neuen Eindrücke ihr Selbstbild deutlich hin- terfragten und somit »Identitätskrisen« durchlebten. »Währenddessen fühlen sich die Schüler nicht unbedingt gut – sie machen etwas durch. Aber die da- bei gemachten Erfahrungen stellen sich später als positiv und wichtig heraus«, sagt Neyer. Auf zwei Parameter konzentrierten sich die Jenaer Psychologen bei der Auswertung der Identitätsentwicklung besonders: die Beziehung zum Heimat- land und das Freundschaftskonzept der Befragten. So identifizierten sich die Auslandsschüler besonders stark mit ihrem Heimatland, kurz nachdem sie es verlassen haben. Nach ihrer Rückkehr allerdings schwächten sich diese Werte deutlich ab. »Durch die Erweiterung des eigenen Horizonts stellen sich die Schüler Fra- gen, über die die Daheimgebliebe- nen nicht nachdenken, etwa woher sie eigentlich kommen, ob sie gern in Deutschland leben oder ob sie sich auch ein Leben in einem anderen Land vor- stellen können«, informiert der Jenaer Experte. Ähnlich verhält es sich mit dem sozia- len Umfeld. Auch die Bindungen zu Freunden und Eltern verstärkten sich zu Beginn des Auslandsaufenthaltes, werden aber nach der Rückkehr stärker hinterfragt. Gedanken wie: Passt dieser Freundeskreis zu mir? und Wie sehr identifiziere ich mich über meine Freun- de? kommen auf – und somit ein inten- siver Reflexionsprozess, der sich später als wertvoll herausstellen kann. Bei der Vergleichsgruppe konnten die Wissen- schaftler solche Effekte nicht feststellen. Wer ins Ausland geht, ist meist schon vorher offen und extravertiert Ihnen ist es aber wichtig zu betonen, dass sich Jugendliche auch ohne Aus- landsjahr gut entwickeln. Nicht jede Person sei für eine solche Ausnahmesi- tuation geschaffen. Die meisten Schüler, die ein Auslandsjahr absolvieren, seien auch vorher schon offener und extraver- tierter. »Doch unsere Forschungsergeb- nisse sprechen dafür, die Förderungen in diesem Bereich auszubauen, umAus- landsaufenthalte unabhängig vom Bil- dungs- und Einkommenshintergrund der Eltern zu machen«, sagt Neyer. Bild links: Die Welt entdecken, lohnt sich. Nicht nur für den Spracherwerb, sondern auch für die Persönlichkeitsentwicklung. Bild rechts: Psychologe Prof. Dr. Franz J. Neyer plädiert dafür, die Förderung von Auslandsaufenthalten auszubauen. Kontakt Prof. Dr. Franz J. Neyer Institut für Psychologie Humboldtstraße 11, 07743 Jena Telefon: +49 36 41 9-45 161 E-Mail: franz.neyer@uni-jena.de www.psychologie.uni-jena.de Original-Publikation: Oh, the Places You‘ll Go! How International Mobility Challenges Identity Development in Adolescence, Developmental Psychology (2018), DOI: 10.1037/dev0000595
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