Lichtgedanken 05

S C HW E R P U N K T 30 Für die Behandlung starker Schmerzen, zum Beispiel nach Operationen oder bei Krebserkrankungen, sind Opiate wie Morphin oder synthetische Opioide nach wie vor die wichtigsten Schmerz- mittel. Ihr Nutzen wird jedoch stark ein- geschränkt durch eine Verlangsamung der Atmung und das große Suchtpoten- zial. Vergrößert wird die Gefahr dieser Nebenwirkungen noch durch einen Gewöhnungseffekt. Die Toleranzent- wicklung kann eine Verzehnfachung der Dosis notwendig machen, um die gewünschte Schmerzlinderung zu er- zielen. Dies sind die Schlüsselfaktoren Warum der Schmerz nicht nachlässt Wirkungsvolle Schmerzmittel sind für die Medizin ein Segen – haben aber auch eine ausgeprägte Schattenseite. Über einen bestimmten Zeitraum eingenommen, verlieren sie ihre Wirkung und können zur Abhängigkeit führen. Ein Wissenschaftsteam aus Jena, Sydney, Melbourne und Marburg hat jetzt molekulare Details der Toleranzentwicklung gegen Opiate aufgeklärt. Die Ergebnisse könnten dabei helfen, synthetische Wirkstoffe mit geringer Toleranzentwicklung und reduziertem Suchtpotenzial zu entwickeln. TEXT: UTA VON DER GÖNNA für Todesfälle infolge einer Opioidüber- dosis, deren Zahl vor allem in den USA im letzten Jahrzehnt dramatisch gestie- gen ist. Spezifische Andockstellen für Schmerzmittel an Nervenzellen Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ste- fan Schulz am Universitätsklinikum Jena erforscht seit Jahren die moleku- laren Mechanismen der Regulation von Opioidrezeptoren, den spezifischen Andockstellen für diese Wirkstoffe auf der Oberfläche von Nervenzellen. »Es ist ein eigentlich sinnvoller Schutzme- chanismus der Zelle vor einer Dauerrei- zung, dass sie bei einem Überangebot von Botenstoffen die Rezeptoren we- niger empfindlich macht«, beschreibt der Professor für Pharmakologie und Toxikologie den Prozess, der die Wir- kung der effektiven Schmerzmittel immer mehr abschwächt. Nach der Aktivierung des Rezeptors durch den Wirkstoff sorgen Enzyme dafür, dass Phosphatgruppen an Bereiche des Re- zeptormoleküls gebunden werden, die im Zellinneren liegen. Dann wird das Gerüstprotein Arrestin an den Rezeptor gebunden, welcher schließlich in die Zelle aufgenommen wird. »In früheren Arbeiten konnten wir zeigen, dass die- ser Prozess bei synthetisch hergestellten hochwirksamen Opioiden wesentlich ausgeprägter ist als beim natürlich vor- kommenden Wirkstoff Morphin«, so Stefan Schulz, »die Signalwege für die Toleranzentstehung unterscheiden sich für diese Wirkstoffgruppen.« Mechanismen der Toleranzentwicklung mit biooptischen Methoden geklärt Gemeinsam mit Kollegen aus Sydney, Melbourne und Marburg konnten die Jenaer Forscher jetzt weitere Details der an der Toleranzentwicklung beteiligten Mechanismen aufklären. In ihren Unter- suchungen konzentrierten sie sich dabei auf die genauen räumlichen und zeit- lichen Abläufe der Bindungsprozesse. »Wir fanden Phosphorylierungsmuster, die hochspezifisch für die verschiede- nen Wirkstoffe sind und ein ausgeklü- Dr. Elke Miess ist Erstautorin der internationalen Studie zur Desensibilisierung von Opioidrezeptoren. Sie und ihre Kollegen konnten zeigen, dass Morphin und synthetische Opioide über unterschiedliche Mechanismen einen Gewöhnungseffekt erzeugen.

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