Lichtgedanken 05
Rubrik 27 05 | LICHT GEDANKEN Irgendwann, in diesem verflucht heißen Sommer, irgendwo in einem Freibad, fragte mich Ivo, unser Jüngster, was ich da auf dem rechten Oberarm hätte. Die- se kraterförmige Narbe, kaum so groß wie ein Cent-Stück. Ich sagte ihm, das sei eine Erinnerung an meine Pocken impfung und wollte fortfahren, über Impfungen im Allgemeinen und die Pocken im Speziellen zu erzählen, doch der Dreimeterturm war viel spannender als eine Krankheit, die seit 1980 welt- weit als ausgerottet gilt. Seit Menschengedenken haben Infek- tionskrankheiten immer wieder Tau- sende, manchmal Millionen Opfer gefordert. Die Pest war die Geißel des Mittelalters, die gerade in Notzeiten wütete. In der Endphase des Ersten Weltkrieges, also vor 100 Jahren, gras- sierte die sogenannte Spanische Grip- pe, die bis zu 25 Millionen Todesopfer forderte. Heutzutage lassen immer mal wieder Berichte über das Ebola-Virus in Afrika aufhorchen. Viele dieser Krank- heiten haben für uns ihren Schrecken verloren, die Kinderlähmung gehört dazu, die Pocken oder die Masern. Verbesserte hygienische Bedingun- gen und sauberes Trinkwasser haben dazu beigetragen. Die schärfste Waffe gegen die heimtückischen Viren sind jedoch die Impfungen. Versuche, mit abgeschwächten Krankheitserregern eine Immunisierung zu erzielen, gab es schon sehr früh. In China soll schon vor über 2000 Jahren versucht worden sein, den Schorf verkrusteter Pockennarben als Impfstoff zu verwenden. Mit dem Nachweis der Erreger und einem wach- senden Verständnis des Wechselspiels zwischen Krankheitserreger und Im- munsystem wurden schon im 18. und vor allem im ausgehenden 19. Jahrhun- dert die ersten Impfstoffe entwickelt. Zu den Wissenschaftspionieren auf die- sem Feld gehören Robert Koch, Louis Pasteur, Edward Jenner, Paul Ehrlich und Georg Friedrich Ballhorn. Wahrlich segensreich waren ihre Erkenntnisse, von denen nicht wenige in heroischen Selbstversuchen erzielt wurden. Als zuverlässige Impfstoffe entwickelt worden waren, blies die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, zum An- griff gegen die Epidemien. In einer welt- weiten Kampagne wurde mittels Impf- pistole dem Pockenerreger der Krieg erklärt. Eine Mammutaufgabe, zumal die Welt damals in der Zeit des Kalten Krieges in feindselige Lager aufgespal- ten war. Dennoch führte die Impfkam- pagne zum Erfolg: Für das Jahr 1977 ist der letzte natürliche Krankheitsfall do- kumentiert, drei Jahre später wurde der Sieg über die Pocken verkündet. Ich kann mich nicht erinnern, seit wann die kleine Narbe auf meinem Oberarm prangt. Sehr gut erinnere ich mich hin- gegen an die ersten Impfungen meiner Kinder. Erinnere mich an die Fragen der Ärztin, ob wir mit den Impfungen einverstanden sind. Was für eine Frage! Natürlich habe ich von Impfgegnern ge- hört, von Menschen, die die Wirksam- keit von Impfungen in Frage stellen, die glauben, die Impfungen nützten vor allem der Pharmaindustrie. Von Impf- gefahren ist die Rede, mögliche schwere Nebenwirkungen werden beschworen. Dennoch gab es für meine Frau und mich nur eine Antwort: Wir sind mit den Impfungen einverstanden! Kleine Narbe, große Wirkung Jahrhundertelang waren Infektionskrankheiten eine Geißel der Menschheit, die Millionen Opfer forderte. Seit gut 150 Jahren gibt es Impfstoffe, eine scharfe Waffe gegen das Leid. Wir sollten darauf achten, dass diese Waffe wirksam bleibt. NACH GEDACHT KOMMENTAR: STEPHAN LAUDIEN Impfungen schützen – nicht nur die eigene Gesundheit. Eine hohe Impf- quote verhindert auch, dass sich Krankheiten ausbreiten.
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