Lichtgedanken 04
Rubrik 55 04 | LICHT GEDANKEN Wo viel Licht ist, da ist auch Schatten. Anders gesagt: Viel Licht hat seine Schattenseiten. Klingt nach einer Bin- senweisheit und meint ein ernstzuneh- mendes Problem: Lichtverschmutzung. Das Übermaß an nächtlichem Licht stört Mensch und Tier. Besonders fatal sind die Auswirkungen auf nachtaktive Insekten. Obwohl Nachtfalter und an- dere Insekten nicht in den Lampen ver- brennen, hat die Anziehungskraft der Lampen enorme Auswirkungen: »Die Tiere vernachlässigen die Nahrungs- suche, die Partnersuche und sie bestäu- ben weniger Blüten«, sagt Dr. Gunnar Brehm, Zoologe vom Phyletischen Mu- seum. Verlässliche Daten für die Lichtver- schmutzung in Deutschland gibt es nicht, ein Zusammenhang mit dem Rückgang bestimmter Arten ist je- doch überaus wahrscheinlich. Auch für die Menschen hat die zunehmende Lichtverschmutzung negative Folgen. »Durch die nächtliche Lichtintensität geht uns der Sternenhimmel verloren, die Milchstraße ist vielerorts nicht mehr zu sehen«, sagt Brehm. Hinzu kommen gesundheitliche Beeinträch- tigungen, etwa durch eine gestörte Nachtruhe. Dabei ist die Masse der Lichtquellen nur eine Seite der Medail- le. Mit dem zunehmenden Einsatz von modernen LEDs werden herkömmli- che Natrium-Dampflampen verdrängt. Während die alten Lampen ein oranges Licht abgaben, strahlen die neuen weiß und wirken oft heller. »Gerade dieses kurzwelligere Licht der LEDs nehmen Insekten wahr«, sagt Gunnar Brehm. Doch wie könnten die Lichtverschmut- zung eingedämmt und die Nächte wie- der dunkler werden? Zum einen ließe sich die Straßenbeleuchtung in Neben straßen herunterdimmen. Zum anderen müsste die Beleuchtung nicht die ganze Nacht hindurch brennen. Das sieht auch Gunnar Brehm so: »Es geht nicht dar- um, die Städte nachts komplett zu ver- dunkeln«. Schon kleine Veränderungen könnten Wirkung zeigen. So würde die Verwendung von langwelligem Licht die Insektenwelt schonen. Dieses eher rote Licht wäre sicher gewöhnungsbe- dürftig, seinen grundsätzlichen Zweck würde es dennoch erfüllen. Der »Schutz der Nacht« ist erklärtes Ziel in der Lichtstadt Jena In Jena hat jetzt der Stadtrat auf das Problem reagiert: Im Dezember 2017 ist ein Beschluss zum »Schutz der Nacht« gefasst worden. Bis Ende 2018 soll der Kommunal-Service Jena (KSJ) ein Be- leuchtungskonzept für die öffentlichen Räume der Stadt vorlegen. Zur Zielstel- lung heißt es unter anderem, die Licht- verschmutzung sei »weitestgehend zu reduzieren durch Vermeidung von übermäßiger Beleuchtung und ihre si- tuationsangepasste Reduzierung«. Der Schutz der Fauna und Flora sowie der menschlichen Gesundheit solle durch angepasste Lichtspektren, Lichtvertei- lung und Betriebszeiten unter besonde- rer Beachtung naturnaher Räume, ge- schützter Naturräume und der Saaleaue erreicht werden. In der Begründung wird auf die Belastung durch biologisch wirksame blaue Farbanteile bei LEDs verwiesen, der auf Nachtinsekten an- ziehend wirkt. Von rund 700 Schmetter- lingsarten im Stadtgebiet sind immer- hin 620 nachtaktiv. Die Beleuchtung von Brücken beeinflusst sogar die Fische in der Saale. Nehmen wir uns doch ein Beispiel an der österreichischen Hauptstadt Wien. Dort wird nach 22 Uhr die Beleuch- tungsstärke der Straßenlaternen hal- biert – Beschwerden gibt es darüber kaum. Ein ermutigendes Zeichen. NACH GEDACHT Helle Nächte Wenn es nachts nicht mehr dunkel wird, leiden Mensch und Tier. Was tun gegen die zunehmende Lichtverschmutzung? KOMMENTAR: STEPHAN LAUDIEN Anziehendes LED-Licht: Was Insektenforscher im südamerikanischen Regenwald nutzen, um Falter anzulocken, wird den Tieren in unseren hell erleuchteten Städten zum Verhängnis.
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