Lichtgedanken 04

Rubrik 54 Halbe Kraft voraus POLARIS ist eines der leistungsstärksten Lasersysteme überhaupt. Schon mehrere Weltrekorde haben Jenaer Forscher mit POLARIS erzielt. Im Normalbetrieb rufen sie die Spitzenleistung des Lasers aber nur selten ab. Warum eigentlich? TEXT: UTE SCHÖNFELDER Gut zwei Jahre ist es her, da konnten Prof. Dr. Malte Kaluza und sein Team den letzten Weltrekord vermelden: Mit dem POLARIS-Laser hatten die For- scher vom Institut für Optik und Quan- tenelektronik und vom Helmholtz-In- stitut Jena die höchste Spitzenenergie eines vollständig Dioden-gepumpten Kurzpuls-Lasersystems erreicht. Über 50 Joule Pulsenergie konnte POLA- RIS erzeugen – jeder dieser Pulse kann im Prinzip auf 100 Femtosekunden komprimiert werden und hätte damit eine Leistung von mehreren 100 Tera- watt – ein Vielfaches des weltweiten Stromverbrauchs. Auch wenn POLARIS damit in der Liga der ganz großen Laser, in der Pe- tawatt-Klasse, mitspielt, im alltäglichen Routinebetrieb wird er seinem Namen (Petawatt Optical Laser Amplifier for Radiation Intensive experimentS) nur selten gerecht. Denn statt mit der ma- ximal erreichbaren Laserenergie »schie- ßen« die Physiker gerade einmal mit 15 bis 17 Joule je Puls, also nur mit 170 Terawatt. Wie kommt das? Das habe vor allem mit der Komplexi- tät des Lasers zu tun, wie Prof. Kaluza erklärt: »POLARIS, wie andere Laser- systeme auch, ist kein Gerät, das man einfach einschaltet und das jedes Mal, wenn es in Betrieb ist, automatisch in gleicher Weise arbeitet.« Vielmehr sei es eine enorme technische Herausfor- derung, die Leistung des Laserstrahls in gleichbleibender Qualität über einen längeren Zeitraum zu halten, um ihn für reproduzierbare wissenschaftliche Mes- sungen nutzen zu können. »Und das ist schließlich unser hauptsächliches Inter- esse.« POLARIS sei ein wissenschaft- liches Werkzeug und Spitzenleistung kein Selbstzweck. Hunderte optische Bauteile müssen justiert und gewartet werden Etwa 170 Diodenstacks, mehrere 100 Spiegel und sieben Verstärkerkristalle oder -gläser müssen justiert und auf- einander abgestimmt sein, um dem Laserstrahl ein definiertes Profil und eine gleichbleibende Qualität zu garan- tieren. Knapp einen Kilometer läuft der Strahl durch die 240 qm große Anlage. POLARIS arbeitet nach dem »Chirped Pulse Amplification«-Verfahren. Dabei wird ein Startpuls mit niedriger Ener- gie aber sehr kurzer Dauer zeitlich ge- streckt und anschließend in mehreren Stufen verstärkt. Die verstärkten Pulse werden zeitlich komprimiert, wodurch die sehr hohe Pulsleistung erzeugt wird, »da die Energie in einem extrem kurzen Zeitraum freigesetzt wird«, wie Kaluza erklärt. Dass POLARIS derzeit nur mit »halber Kraft« laufe, liege vor allem an den empfindlichen optischen Bauteilen. Spiegel, Gitter und Verstärkerkristalle könnten bei extremen Spitzenleistun- gen Schaden nehmen. »Schon kleine Defekte an der Beschichtung eines Spiegels können dazu führen, dass der nächste Schuss der letzte ist«, bringt es Kaluza auf den Punkt. Etwa die Hälfte der Betriebszeit investieren die sechs Wissenschaftler und Techniker daher in Justage, Wartung und Instandhal- tung der Optik und versuchen diese so einzurichten, dass sich ein möglichst homogenes Strahlprofil im Laser er- gibt. Denn: Je gleichmäßiger der Laser die empfindlichen Oberflächen aus- leuchtet, umso weniger wahrscheinlich ist es, dass diese durch die Strahlung beschädigt werden. Ohne eine immer- währende Prüfung aller optischen Bau- teile wäre es schlichtweg unmöglich, zu gegebenem Zeitpunkt Spitzenleistung punktgenau abzuliefern. Und erst wenn der Strahlquerschnitt gleichmäßig aus- geleuchtet ist, ist es möglich, mit POLA- RIS auch mit noch höherer Pulsenergie zu schießen und das System »mit voller Kraft« zu betreiben. »Das ist viel Tüftelei, oft muss man auch einfach ausprobieren«, sagt Kaluza. Dabei seien nicht nur Fachwissen und Geduld gefragt, sondern auch eine ge- hörige Portion Spieltrieb. Aber was sind schon Weltrekorde, wenn man mit ei- nem solch faszinierenden »Spielzeug« arbeiten könne? Hinter den Kulissen Letzte Verstärkerstufe des Hochleistungslasers POLARIS.

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