Lichtgedanken 04
Rubrik 52 Das Auge isst bekanntlich mit. Daher greifen Lebensmittelhersteller oft tief in die Trickkiste, um dem Verbraucher ihre Produkte auch optisch möglichst schmackhaft zu machen: Damit das Ketchup geschmeidig aus der Flasche fließt, die bunten Schokolinsen appe- titlich glänzen oder das Pulver für den Instant-Cappuccino in der Packung nicht verklumpt, werden Silizium- oder Titandioxid zugesetzt. Diese Substan- zen bilden feine Pulver, die den Le- bensmitteln die gewünschten Eigen- schaften verleihen. Das Problem dabei: Die Pulver sind so fein, dass sie – her- stellungsbedingt – stets einen gewissen Prozentsatz an kleinsten Nanopartikeln enthalten. Nanopartikel sind nur wenige Nano- meter groß und damit kleiner als die meisten Moleküle, mit denen unser Körper ansonsten zu tun hat. »Gelangen Nanopartikel über die Nahrung in den menschlichen Verdauungstrakt können sie, aufgrund ihrer geringen Größe, die Darmwand passieren und sich prak- tisch überall im Körper verteilen«, sagt Dr. Thomas Schneider vom Institut für Ernährungswissenschaften der Uni Jena. »Doch niemand kann bisher mit Gewissheit sagen, ob diese Partikel ge- sundheitlich unbedenklich sind oder ob und welche Gesundheitsgefahren von ihnen ausgehen.« Die Studienlage, so der Ernährungstoxikologe, sei bislang äußerst widersprüchlich, was vorwie- gend an unzureichenden Testmethoden und fehlenden Möglichkeiten liege, die Nanopartikel im Organismus nachzu- weisen und zu charakterisieren. Um das zu ändern, hat sich Thomas Schneider gemeinsam mit seinem Kol- legen Prof. Dr. Michael Glei mit einem Industriepartner, der Analytik Jena AG, zusammengetan und ein Forschungs- projekt gestartet. Das neue Verbund- vorhaben »Analyse von synthetischen Nanopartikeln in Lebensmitteln mittels Einzelpartikel-ICP-MS« wird für zwei- einhalb Jahre vom Land Thüringen aus Mitteln des Europäischen Fonds für Re- gionale Entwicklung mit rund 615 000 Euro gefördert. Rund 285000 Euro ge- hen an die Uni Jena. Ziel des Projekts ist es, eine Analyse- plattform für den Nachweis von po- tenziell gesundheitsschädlichen Na- nomaterialien in Lebensmitteln zu entwickeln. Dafür wollen die Forscher die hochempfindliche Methode der Massenspektrometrie mit induktiv-ge- koppeltem Plasma (ICP-MS) nutzen. »Dieses Analyseverfahren kann selbst geringste Spuren von Metallen, wie Titan, Gold oder Magnesium, nachwei- sen«, erläutert Dr. Schneider. Um die Methode für die Analyse von Nanopar- tikeln in Lebensmitteln zu verwenden, müssen die Forscher jedoch zunächst ein spezielles Probenzufuhrsystem so- wie eine Software zur Datenanalyse ent- wickeln. »Parallel dazu wollen wir die Nanopar- tikel hinsichtlich ihrer toxikologischen Eigenschaften beurteilen«, kündigt Prof. Glei an. In seinen Labors werden die Partikel an Zellkulturen getestet. Dabei wird geprüft, ob und in welcher Weise sie das Wachstum der Zellen be- einflussen oder ihnen gar Schäden, zum Beispiel in der DNS, zufügen. Dafür sollen Darmzellkulturen zum Einsatz kommen, die als Modell der natürlichen Barriere des menschlichen Verdauungs- trakts dienen. Winzig und nützlich – aber auch unbedenklich? Jenaer Ernährungswissenschaftler wollen mit einem Industriepartner Nanopartikel in Lebensmitteln aufspüren. Ziel des von der EU und dem Land Thüringen geförderten Projekts ist es, das Gefährdungspotenzial von Nanomaterialien in Lebensmitteln fundiert beurteilen zu können. TEXT: UTE SCHÖNFELDER Dr. Thomas Schneider synthetisiert und charakteri- siert im Rahmen des neuen Projekts Nanopartikel – hier zeigt er Lösungen mit Nanokügelchen aus Gold (links) und Silber.
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