Lichtgedanken 04
Rubrik 47 04 | LICHT GEDANKEN Die Daten dieser knapp 700 Patienten wurden dann mit den Aufzeichnungen der Immissionsdaten für Stickoxide (NO X /NO 2 ), Ozon (O 3 ) und Feinstaub (PM 10 ) der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie abgeglichen, die diese Parameter für die Luftverschmut- zung in Jena erfasst. Im Detail unter- suchten die Wissenschaftler, ob sich die Konzentrationen der wichtigsten Luft- schadstoffe kurz vor den ersten Herz- infarktsymptomen über einen Zeitraum von 24 Stunden ungewöhnlich stark verändert haben. Auch in Jenas sauberer Luft gibt es kurzzeitig gefährlichen Smog Als Studienort haben sich die Wissen- schaftler bewusst eine saubere Stadt ausgewählt: In den betrachteten acht Jahren wurden die derzeit geltenden eu- ropäischen Grenzwerte für alle gemes- senen Luftverschmutzungsparameter in Jena bis auf wenige Tage eingehalten. Die Mediziner vermuteten zu Beginn der Studie, dass das Risiko für Herzin- farkte mit der Änderung der Luftquali- tät zusammenhängt. »Die Deutlichkeit des Zusammenhangs hat uns dann doch überrascht, sie ist nahezu linear«, so Dr. Florian Rakers, Seniorautor der Studie. Der Jenaer Wissenschaftler und Arzt forscht schwerpunktmäßig zum Einfluss von Umwelteinflüssen auf die Entstehung von Krankheiten. Akutes Herzinfarktrisiko verdoppelt sich bei Stickoxidanstieg Prof. Dr. Matthias Schwab, Leitender Oberarzt der Klinik für Neurologie und Koautor der Studie, erklärt: »Das akute Herzinfarktrisiko in unserer Stu- die verdoppelte sich in etwa, wenn die Stickoxidkonzentration innerhalb eines Tages um 20 Mikrogramm pro Kubik- meter anstieg«. »Rasche Anstiege der Stickoxidkonzentrationen treten auch in einer vermeintlich sauberen Stadt wie Jena etwa 30-mal pro Jahr auf. Verant- wortlich hierfür ist wahrscheinlich ein ungewöhnlich hohes Verkehrsaufkom- men oder meteorologische Faktoren, die eine Smogentwicklung begünstigen«, führt Dr. Rakers weiter aus. Für Feinstaub und Ozon waren die Er- gebnisse weniger eindeutig. »Ein Zu- Kontakt Dr. Florian Rakers Klinik für Neurologie Am Klinikum 1, 07747 Jena Telefon: + 49 3641 9-32 34 86 E-Mail: Florian.Rakers@med.uni-jena.de www.neuro.uniklinikum-jena.de Original-Publikation Rapid increases in nitrogen oxides are associated with acute myocardial infarction: A case-crossover study. Eur J Prev Cardiol (2018), DOI: 10.1177/2047487318755804 sammenhang zwischen einem schnel- len Anstieg beider Luftschadstoffe und dem akuten Herzinfarktrisiko ließ sich nicht bestätigen. Nichtsdestotrotz sind hohe Konzentrationen von Feinstaub und Ozon insbesondere für Patienten mit Lungenerkrankungen schädlich«, betont Prof. Dr. P. Christian Schulze, Direktor der Klinik für Innere Medizin I und Koautor der Studie. Mit ihrer Untersuchung erweitern die Jenaer Wissenschaftler das Wissen zur Gesundheitsschädlichkeit der Stickoxi- de. Dr. Florian Rakers: »Das Risiko für einen Herzinfarkt erhöht sich offenbar nicht nur, wenn Menschen kurz oder langzeitig hohen Stickoxidkonzentra- tionen in der Umgebungsluft ausge- setzt sind, sondern auch, wenn der Stickoxidgehalt schnell ansteigt.« Auf diese Weise könnten sich Stickoxide auch in vergleichsweise sauberer Luft schädlich auswirken. Wegen der klini- schen Relevanz der Ergebnisse, so die Autoren der Studie, sollten dringend Untersuchungen in größerem Maßstab und anderen geografischen Regionen durchgeführt werden, um dann gegebe- nenfalls die EU-Grenzwerte um eine dy- namische Komponente zu erweitern. H I N T E R G R U N D Stickoxide (NO X ) entstehen hauptsächlich durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe, wie Koh- le oder Öl, in geringerer Menge aber auch durch elektrische Entladungen in der Atmosphäre bei Gewittern. Unter Einwirkung ultravioletter Sonnenstrahlung tragen Stickoxide zur Ozonbildung (Sommersmog) vor allem in verkehrsreichen Innenstädten bei. Stickoxide sind zudem als Treib- hausgase wirksam und für die Entstehung von »saurem Regen« verantwortlich. Stickoxide reizen und schädigen die Atmungsorgane und können, wie die aktuelle Jenaer Studie belegt, auch das Risiko für einen Herzinfarkt deutlich erhöhen. Bild links: Verbrennungsmotoren, vor allem von Diesel-PKWs, können die Stickoxid-Werte in der Luft kurzfristig stark erhöhen.
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