Lichtgedanken 04
Rubrik 44 Das Böse übt seit jeher einen morbiden Zauber auf das Publikum aus. Egal ob fiktive Serienmörder wie Hannibal Lec- ter im Kinoerfolg »Das Schweigen der Lämmer« oder Berichte über reale Täter wie Jeffrey Dahmer oder Andrei Tschi- katilo: Mit »Sex and Crime« lässt sich prima Kasse machen. In der jungen Bundesrepublik ergötz- ten sich Leser und Kinogänger an der dämonischen Figur des Massenmörders Bruno Lüdke. »Spiegel«-Gründer Ru- dolf Augstein schrieb über Lüdke in ei- ner Artikelserie über den Chef der deut- schen Kriminalpolizei Arthur Nebe; der Journalist und Bestseller-Autor Will Berthold legte mit 15 »Tatsachenberich- ten« über Lüdke eine Leimspur für das Publikum. Und ein junger Schauspie- ler namens Mario Adorf brillierte 1957 als Lüdke in dem preisgekrönten Film »Nachts, wenn der Teufel kam« von Ro- bert Siodmak. Der Mensch Bruno Lüdke geriet bei dem Trubel vollends in den Hinter- grund. Geboren wurde der Kutscher und Hilfsarbeiter Bruno Lüdke 1908 bei Berlin. Im Jahr 1940 wurde er auf Die Faszination des Bösen Der Berliner Kutscher Bruno Lüdke galt bis in die 1990er Jahre als der »größte Massenmörder der Kriminal- geschichte«. Journalisten hatten aus Artefakten der nationalsozialistischen Kripo True Crime Stories fanta- siert; mit dem Spielfilm »Nachts, wenn der Teufel kam« wurde der Fall international populär. Ein Historiker, eine Kulturwissenschaftlerin und ein Grafikdesigner haben den Stoff für eine Fallstudie jetzt neu untersucht. Entstanden ist eine facettenreiche Visual History über rassistische Menschenbilder und Gewalt. Wie und warum konnten die »Fake News« vom vorgeblichen Massenmörder im Dritten Reich entstehen und sich auch in der Mediendemokratie durchsetzen? Die interdisziplinäre Studie zur Konstruktion des Anormalen plädiert zugleich für mehr Visualität in wissenschaftlichen Darstellungen. TEXT: STEPHAN LAUDIEN G E S C H I C H T E Beschluss eines Erbgesundheitsgerichts zwangssterilisiert, die Diagnose lautete »erblicher Schwachsinn«. Im Zuge ei- ner Mordermittlung wurde Lüdke drei Jahre später verhaftet. In suggestiven Verhören nahm er 53 Mordfälle auf sich, vornehmlich an Frauen, seit 1924 im ge- samten Reichsgebiet verübt. Mitte April 1944 wurde Bruno Lüdke im Wiener Kriminalmedizinischen Zentralinstitut insgeheim ermordet. Wie wurde Bruno Lüdke zum »Teufel in Menschengestalt«? Welche Interessen verfolgten Polizei und Justiz im Dritten
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