Lichtgedanken 04

S C HW E R P U N K T 19 04 | LICHT GEDANKEN Im vergangenen Jahr wurde der Nobelpreis für Medizin oder Physiologie an Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young vergeben. Die drei Amerikaner forschen seit den 1980er Jahren zur Chronobiologie. Warum wurden sie jetzt mit einem Nobelpreis gewürdigt? Fast jeder Organismus auf der Welt ist Licht-Dunkel-Zyklen unterworfen und die Anpassung daran ist mit Vorteilen ver- bunden – in Zeiten, in denen rund jeder Vierte Schichtarbeit nachgeht, eine wichtige Erkenntnis. Wenn die innere Uhr aus dem Takt gerät, können Schädigungen auftreten. Betroffene sind nicht nur müde, sondern auch anfälliger für Krankhei- ten. Man sieht inzwischen größere Zusammenhänge zwischen den circadianen Rhythmen und dem Befinden des Organis- mus. Es war an der Zeit, die Wissenschaftler zu würdigen, die das erste Uhren-Gen charakterisiert und entscheidend zum Verständnis des molekularen Mechanismus der inneren Uhr beigetragen haben. Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Medizin? Dass man die innere Uhr für die Behandlung nicht außer Acht lassen sollte: Studien haben gezeigt, dass Patienten verschie- dene Medikamente zu bestimmten Tageszeiten besser vertra- gen, da die Eiweiße, welche an der Aufnahme der Medika- mente, ihrer Verteilung und ihrem Abbau beteiligt sind, von der inneren Uhr kontrolliert sein können. So wurde beispiels- weise die sogenannte Chronotherapie auch bei der Behand- lung bestimmter Krebsarten eingeführt, vor allem um Neben- wirkungen von Medikamenten zu verringern. Momentan wird innerhalb der EU die Abschaffung der Sommerzeit wieder einmal heiß diskutiert. Was bedeutet die Zeitumstellung für den Organismus? Im Grunde ist die Zeitumstellung eine Art Mini-Jetlag für den Körper. Das Aktivitätsprofil des Menschen wird dadurch ge- stört undmuss sich neu synchronisieren. ZahlreicheMenschen sind dadurch belastet, sogar anfälliger für depressive Verstim- mungen, auch die Zahl der Unfälle steigt. Andere stecken die Umstellung gut weg und haben keinerlei Probleme. Was denken Sie über die Abschaffung der Sommerzeit? Biologisch betrachtet wäre es sinnvoller, die Uhrzeit beizu- behalten, um nicht Millionen Menschen dieser Störung ihres circadianen Rhythmus‘ auszusetzen. Mindestens genauso stö- rend wie die Zeitumstellung ist es aber zum Beispiel, Handys oder bestimmte LED-Lampen um die Mitternachtszeit zu nut- zen. Das Blaulicht, das sie ausstrahlen, verschiebt besonders effizient die Phase unserer inneren Uhr, macht uns dadurch nachts wach und am Tag müde. Chronobiologie Die Chronobiologie untersucht biologische Rhythmen wie die innere Tagesuhr, sie beschreibt und erforscht also die Zeitstruk- tur von Lebewesen. Deren Organisation vollzieht sich in einem präzisen zeitlichen Raster periodisch sich wiederholender Vor- gänge oder physiologischer Rhythmen; der Mensch und viele andere Organismen verfügen über einen circadianen Rhythmus – einen Tagesrhythmus, der im Freilauf ungefähr 24 Stunden lang ist. Dieser wird gesteuert durch den endogenen Oszillator der inneren Uhr. Dass Blattbewegungen der Pflanzen einem cir- cadianen Rhythmus folgen, haben Gelehrte schon seit dem 18. Jahrhundert beobachtet – erstmals an der Mimose, die sowohl bei Licht-Dunkel-Experimenten als auch in steter Dunkelheit zur gleichen Zeit ihre Fiederblättchen zusammenfaltete (subjektive Nacht) und wieder öffnete (subjektiver Tag). Algen und Licht Das Verhalten von Algen ist vielfach lichtgesteuert. Sie nutzen Licht als Informationsquelle , um ihre innere Uhr zu synchro- nisieren, ihre Bewegungen zu steuern oder für ihren sexuellen Zyklus. Weiterhin brauchen sie Licht als Energiequelle bei der Fotosynthese. Jene ist ein physiologischer Prozess, bei dem höhere Pflanzen, Algen sowie einige Bakterien energiearme Stoffe wie Kohlendioxid und Wasser in energiereiche Stoffe mit Hilfe von Licht umwandeln – wobei Sauerstoff als Nebenpro- dukt freigesetzt wird. Bedeutung von Algen Algen inklusive den Blaualgen (Cyanobakterien) erbringen etwa die Hälfte der Fotosyntheseleistung und leisten damit etwa 50 Prozent der CO 2 -Fixierung auf der Erde. Die Algen (Phytoplank- ton) stehen zudem am Anfang der Nahrungskette im Meer und Süßwasser: Sie werden vom Zooplankton gefressen, das wiede- rum Krebstierchen als Nahrung dient, die dann von Fischen gefressen werden können. Kulturflaschen und Petrischalen mit Chlamydomonas reinhardtii. Die einzellige Grünalge hat für den Tag- Nacht-Rhythmus ihren eigenen »Wecker«. Das haben die Wissenschaftler um Maria Mittag in einer Studie gezeigt (Original-Publikation unter: doi.org/10.1104/pp.17.00349 ).

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