Lichtgedanken 03
Rubrik 69 03 | LICHT GEDANKEN Doch schien Christoph Redies’ Forschungsinteresse spätes- tens salonfähig, als sich Thüringen (erfolglos) als Standort für das neue Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik bewarb. »Zu Beginn meiner Karriere hätte ich meinen Ruf als Wissenschaftler ruiniert, wenn ich meinen Fragen zur Kunst nachgegangen wäre, doch inzwischen hatte sich die Technik enorm gewandelt. In Prof. Joachim Denzler hatte ich zudem bereits 2005 einen aufgeschlossenen Kooperati- onspartner gefunden«, berichtet er. Gemeinsam legten der Mediziner und der Informatiker einige der Grundlagen in der Erforschung der Ästhetik von Kunst. Heute arbeitet Re- dies' Forschungsgruppe mit einem Team vom Institut für Psychologie zusammen. Als Trendsetter sieht er sich nicht, aber »es ist spannend, bei einem jungen, sich entwickelnden Forschungsfeld von Beginn an dabei zu sein.« Inzwischen sei Ästhetik geradezu ein Modethema in der Wissenschaft geworden. Schon allein weltweite Forscherverbünde wie die International Association of Empirical Aesthetics, deren Mitglied natürlich auch Redies ist, belegen den Trend. Strukturen des Schönen in bildender Kunst und Musik Ob er anders malt, seitdem er so intensiv dazu forscht? »Beim Malen ist denken nicht unbedingt angebracht«, glaubt der Anatom, »eher das Fühlen. Und meine Gefühle haben sich nicht geändert.« Sehr viel Zeit für die Malerei hat er im Mo- ment ohnehin nicht – noch steht die Wissenschaft an erster Stelle. Denn da gilt es einiges zu erreichen, bevor sich der Va- ter von vier Töchtern in den Ruhestand begibt. Noch näher möchte er an den Kern dessen kommen, was die Schönheit im Bild ausmacht. Außerdem würde er seine Forschung gern auf die Musik anwenden. Neun Jahre hat Redies in seiner Jugend Klavier gespielt, »aber nicht besonders gut«, erzählt er la- chend. Das Faible für klassische Musik ist dennoch geblieben. Die Forschung ist für ihn in erster Linie ein intellektuelles Spiel: die Freude an der Neugier und dem Entdecken. Kunst könne dagegen Menschen und Kulturen verbinden, einfach tiefer im Menschsein berühren. Beides zu kombinieren, war lange sein Wunsch – den er inzwischen seit zwölf Jahren am Institut für Anatomie, dessen Direktor er ist, lebt. Dabei pro- fitiert er nicht nur vom Standort Jena: »In Deutschland hat man als Hochschullehrer die Freiheit zu erforschen, was man möchte – das ist großartig.« Und was hat es nun mit der Struktur eines schönen Bildes auf sich? »Wie ein Künstler malt, ist dem ähnlich, was man in komplexen natürlichen Strukturen wahrnimmt«, erläu- tert Redies. Kunstwerke sind dem Sehsystem dadurch ver- traut und weil Menschen auf natürliche Situationen und Strukturen geprägt sind, werden die Bilder dann als schön empfunden – umso mehr, je reichhaltiger und vielfältiger sie sind. »Es in einfache Worte zu fassen, ist schwer«, meint der Professor. Mit Pinselstrichen wäre es leichter. Die Radierung mit dem Titel »Paris« hat Christoph Redies 1977 während seines Aufenthalts in der französischen Hauptstadt angefertigt.
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