Lichtgedanken 03
Rubrik 68 Wer beim zurückliegenden Uni-Sommerfest den Blick in die kleine Kunstausstellung in der Mensa am Philosophen- weg geworfen hat, ist unweigerlich an ihnen hängengeblie- ben – in schweres, edles Holz gerahmte, abstrakte Komposi- tionen. In der Nähe stets anzutreffen war ihr Urheber, Prof. Dr. Dr. Christoph Redies vom Uniklinikum. Der Professor für Anatomie war gern dem Aufruf gefolgt, dass Mitar- beiter der Uni ihre Fotografien und Bilder in der Künstler- werkstatt des Unifestes ausstellen. Dabei zeigte er nicht nur Aquarelle, Ölmalereien, Pastelle und Radierungen, sondern brachte gleich eine Videoinstallation und eine Sammlung seiner wissenschaftlichen Aufsätze mit. Thema: Experi- mentelle Ästhetik. Mit großer Begeisterung schilderte er vielen Besuchern, was er untersucht. »Ich möchte herausfinden, was die Struktur eines schönen Bildes ausmacht«, erklärt Christoph Redies. »Wie muss ein Bild sein, damit es als ästhetisch empfunden wird?« Schon immer hat den 59-Jährigen diese Frage umtrieben – ebenso wie die Kunst seit jeher Bestandteil seines Lebens ist. Als Sohn von internationalen Kunsthändlern, die in Düsseldorf eine Galerie für moderne Kunst führten, fing er mit 16 Jah- ren an zu malen. Der Autodidakt verbrachte 1977 einen Sommer in einem Atelier in Paris, dann jedoch entschied er sich für das Medizinstudium in Essen. »Dem ungewissen Künstlerdasein fühlte ich mich nicht gewachsen«, erinnert er sich. Als reine Vernunftentscheidung möchte er das Stu- dium aber nicht bezeichnen: »Naturwissenschaften haben mich immer interessiert.« Arzt wollte er nicht unbedingt werden, sich dafür viele andere Möglichkeiten offenhalten. Bereits nach dem Grundstudium in Essen reizte es ihn, die biologischen Grundlagen der Kunst zu erforschen. In den 1980er Jahren sei die Zeit dafür jedoch noch nicht reif ge- wesen, Redies spezialisierte sich auf die Sehforschung und die molekularen Grundlagen der Gehirnentwicklung. Das letzte Jahr seines Studiums glich einer klinischen Weltreise, die ihn ins australische Adelaide, ins amerikanische Bos- ton und ins kanadische Montreal führte. Auch die Kran- kenhausphasen erweckten in ihm nicht den Wunsch zu praktizieren. »Nach der Approbation habe ich meinen Kit- tel abgegeben und nie wieder Patienten gesehen«, sagt der Mediziner. So verfasste er nach der humanmedizinischen Dissertation am Max-Planck-Institut in Göttingen eine na- turwissenschaftliche in Montreal und wurde doppelter Doktor. Nach dem Postdoc am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge und an der Kyoto Uni- versity folgten die Rückkehr nach Deutschland, 1997 der erste Ruf der Uni Essen und 2003 der Ruf der FSU auf den Lehrstuhl für Anatomie. Seiner erfolgreichen wissenschaft- lichen Karriere in der Molekularbiologie und der Gehirn- forschung schreibt er die Berufung zu – denn seine weite- ren Forschungsideen zur Ästhetik galten zunächst noch als versponnen. Die Kunst (in) der Wissenschaft Anders als die meisten, die Medizin studieren, wollte Prof. Dr. Dr. Christoph Redies nie Arzt werden. Viel- mehr diente die Karriere in der Forschung schon früh dem Ziel, sich wissenschaftlich mit seiner zweiten großen Leidenschaft zu befassen: der Kunst. TEXT: JULIANE DÖLITZSCH Port ät Christoph Redies mit einem seiner abstrakten Werke aus dem Jahr 2001.
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