Lichtgedanken 03

Rubrik 64 Wie Fische an Land gingen Der Cucullaris-Muskel des Knochenhechtes gibt Aufschluss über die Evolution der Landwirbeltiere Seit mehr als 140 Millionen Jahren schwimmt der Kno- chenhecht bereits durch die Gewässer unseres Planeten und noch immer birgt er Geheimnisse in sich. Eines davon konnten Evolutionsbiologen aus Jena jetzt lüften – und dabei wichtige Informationen darüber gewinnen, wie sich Fische zu Landwirbeltieren entwickelten. Benjamin Nau- mann (Foto unten) und Prof. Dr. Lennart Olsson vom In- stitut für Zoologie und Evolutionsforschung ist es gelun- gen, bei dieser Fischart erstmals den »Cucullaris«-Muskel richtig zu identifizieren, der viele Übereinstimmungen mit dem Cucullaris-Muskel der Landwirbeltiere aufweist. Über ihre Forschungsergebnisse berichteten die Wissen- schaftler im Fachjournal »Evolution & Development« (DOI: 10.1111/ede.12239). »Wir haben einen über hundert Jahre alten Fehler korri- giert, denn bei früheren Untersuchungen war ein anderer Muskel als Cucullaris-Muskel beim Knochenhecht be- zeichnet worden«, sagt Benjamin Naumann. Von Interesse für die Evolutionsbiologen ist der Muskel, der Kopf und Schultergürtel miteinander verbindet, vor allem deswe- gen, weil er sowohl bei ursprünglichen Fischen als auch bei Säugetieren vorkommt, sich seine Funktion während der Evolution aber erheblich verändert hat. »Bei Fischen sitzt der Kopf direkt am Schultergürtel, weswegen sich der Kopf nicht unabhängig vom Rumpf bewegen kann«, er- klärt Prof. Dr. Lennart Olsson. Diese Verbindung habe sich bei den Landwirbeltieren gelöst – sie bildeten einen Hals, was eine erhöhte Beweglichkeit des Kopfes unabhängig vom Rumpf ermöglichte. Dank der aktuellen Jenaer Studie ist jetzt klar, dass der Muskel auch beim Knochenhecht schon an dieser Naht­ stelle zwischen Rumpf und Kopf sitzt. Bisher war man fälschlicherweise von einem anderen in der Nähe der Kie- men ausgegangen. »Die Position des Cucullaris-Muskels ist deshalb wichtig, weil sie uns verrät, dass er sich genau- so bildet wie zum Beispiel beim Säugetier«, erklärt Nau- mann. »Die Entwicklungsbiologie zeigt uns hier also eine Homologie, einen gemeinsamen evolutionären Ursprung des Muskels, in beiden Tiergruppen auf.«  sh Was Pilze »magisch« macht Seit fast 60 Jahren ist der Stoff namens Psilocybin bekannt. Er verleiht den »Magic Mushrooms«, auch Zauberpilze ge- nannt, die Magie – also ihre starke psychedeli- sche Wirkung. Ein Ge- heimnis blieb jedoch: Wie genau bilden die Pilze der Gattung Psilocybe (Foto) die- se wirkungsvolle Substanz? Ein Team um den Jenaer Natur- stoff- und Pilzexperten Prof. Dr. Dirk Hoffmeister konnte es jetzt lüften. So gelang es den Wissenschaftlern, die Enzyme zu identifizieren, mit deren Hilfe die Pilze ihre magischen Substanzen aufbauen. Die Wissenschaftler stellten bei ihren Untersuchungen außerdem fest, dass die Biosynthese in einer anderen Reihenfolge stattfindet, als es ältere Studien beschrie- ben. Ihre Ergebnisse erschienen in der Zeitschrift Angewandte Chemie ( DOI: 10.1002/anie.201705489) . Mithilfe des Modell-Bakteriums Escherichia coli ließen sich die zuvor identifizierten Enzyme produzieren. Auf diese Weise konnten Hoffmeister und Kollegen die Wirkstoff-Synthese im Labor rekonstruieren und Psilocybin ohne Pilzzellen her- stellen. Damit könnte dieses stark wirksame Molekül künftig einfacher hergestellt werden. Denn abseits des Gebrauchs als Freizeitdroge verfügt die Substanz über nutzbringende Heil- kräfte: Beispielsweise kann sie in einer geringen Dosis die Angst von Patienten mit lebensbedrohlichem Krebs reduzie- ren oder die Symptome von Depressionen und Antriebslosig- keit lindern.  MR Wie Säugetierzähne ihre Form erhalten Die Zähne von Nackthunden geben Wissenschaftlern Hinwei- se über die Entwicklung und Evolution von Säugetierzähnen: Nackthunde unterscheiden sich von anderen Hunden nicht nur durch das fehlende Fell, sondern auch in Anzahl und Be- schaffenheit ihrer Zähne. Forscher vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und der Friedrich- Schiller-Universität haben fast 100 Jahre alte historische Schä- del und Zähne von haarlosen Rassehunden aus der Sammlung des Phyletischen Museums jetzt neu untersucht und belegt, dass ein »FOXI3« genanntes Gen an der Entwicklung der Zäh- ne beteiligt ist. Ihre Ergebnisse stellten sie im Fachmagazin »Scientific Reports« vor (DOI: 10.1038/s41598-017-05764-5). Das Team um PD Dr. Kornelius Kupczik und Prof. Dr. Martin S. Fischer konnte zeigen, dass bei den haarlosen Tieren nahe- zu alle Ersatzzähne (das heißt Schneide- und Eckzähne sowie vordere Backenzähne) fehlten, die Molaren (Zuwachszähne) aber vorhanden waren. Auffällig war auch, dass auf den Zäh- nen der Nackthunde bestimmte zungenseitige Zahnhöcker nicht ausgebildet waren. Die Forscher gehen davon aus, dass »FOXI3« auch bei der Zahnentwicklung anderer Säugetiere, inklusive des Menschen, eine Rolle spielt.  US

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