Lichtgedanken 03
S C HW E R P U N K T 62 Wer verreist, bringt neue Erfahrungen und oft auch Andenken mit nach Hau- se. Auch Carl Haussknecht (1838 –1903) kam von seinen Reisen ins Osmanische Reich und nach Persien, zu denen er 1865 und 1866 aufgebrochen war, mit tausenden »Souvenirs« zurück. Der Na- turforscher fand und sammelte Pflan- zen, die einen wesentlichen Teil des Herbariums Haussknecht bilden, das, 1896 in Weimar gegründet, seit langem zur Universität Jena gehört. Doch er brachte nochmehr mit: 15 eng in Kurrentschrift beschriebene Oktavhefte mit insgesamt fast 1000 Seiten zu sei- nen Reiseeindrücken und den Pflanzen (Foto oben). Diese Reisetagebücher, die im Institut für Ökologie und Evolution vorliegen, werden jetzt in einem großen orts- und fächerübergreifenden Projekt herausgegeben und kommentiert. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft för- dert das auf drei Jahre angelegte Pro- jekt, an dem auch die Universitäten Halle-Wittenberg und Marburg mitar- beiten, mit rund 400 000 Euro. Haussknechts persönliche Gedanken zu Menschen und Politik »Wir wollen zum einen mehr über un- sere Sammlung erfahren«, sagt Botani- ker Prof. Dr. Frank H. Hellwig. Denn bislang ist der genaue Umfang dieser nicht bekannt. Andererseits helfen die Tagebücher dabei, die Bezeichnungen für manche Pflanzen zu erforschen und abzuleiten. »Die bisherigen Sichtungen belegen zudem, dass die Informationen in den Tagebüchern, die über die reine Botanik hinaus ein weites Spektrum an Disziplinen wie Geologie, Geografie, Kartografie, Zoologie, Landeskunde, Sozial- und Kulturgeschichte bedienen, für die Einordnung und Interpretation des botanischen Materials von Bedeu- tung sind«, sagt Projektleiter Hellwig. »Das macht die Tagebücher zu kultur- historischen Dokumenten.« Wichtig für diese kulturelle Dimension ist auch, dass Haussknecht die Tagebücher nie zur Veröffentlichung vorgesehen hatte, sie daher sehr persönliche Gedanken und Einschätzungen von Menschen und der politischen Lage enthalten. Projektmitarbeiterin Kristin Victor und ihre Kollegen stehen vor der Heraus- forderung, die Kurrentschrift Hauss knechts zu entziffern und zu »überset- zen«. Ebenso sind die Identifizierung und Kommentierung von Pflanzenna- men, geografischen Bezeichnungen, lo- kalen Verhältnissen und Begebenheiten sowie die Einordnung von deren wis- senschafts- und kulturgeschichtlicher Relevanz künftige Aufgaben. Um die kommentierten Schriften welt- weit zugänglich zu machen, wird das Team durch die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek unterstützt. Der Wissenschaftshistoriker Dr. Andreas Christoph verantwortet schließlich die Ausgestaltung der digitalen Präsen- tation der Forschungsergebnisse. Der umfassende Webauftritt soll bereits vor Projektende im Jahr 2020 online gehen. Haussknechts Orientsouvenirs Jenaer Botaniker starten mit Partnern ein Editionsprojekt zu den Orient- Reisetagebüchern des Thüringer Naturforschers Carl Haussknecht. Gefördert wird das kulturhistorische Vorhaben mit fast 400 000 Euro. TEXT: AXEL BURCHARDT
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