Lichtgedanken 03

Rubrik 55 03 | LICHT GEDANKEN Kontakt apl. Prof. Dr. Peter Stein Theologische Fakultät Fürstengraben 6, 07743 Jena Telefon: +49 36 41 9-41 114 E-Mail: peter.stein@uni-jena.de www.theologie.uni-jena.de Original-Publikation South Arabian zabur script in the Gulf: some recent discoveries from Mleiha (Sharjah, UAE). Arabian archaeology and epigraphy (2017), DOI: 10.1111/aae.12087 die Schrift auf dem Henkel der Ampho- re lediglich auf ihren Besitzer verweist, zeugt die Inschrift auf der rund sieben mal sechs Zentimeter großen Silbertafel von einem religiösen Brauch, der bis- lang in der Golfregion ebenfalls unbe- kannt war: »Die Tafel ähnelt in Material und Form den Bronzeplaketten, die ty- pisch für Südarabien waren. Dort wur- den sie als Weihgeschenke den Göttern dargebracht.« Die jeweils sechs bis acht Millimeter großen Buchstaben sind in die glatte Metalloberfläche eingestanzt. Wie im antiken Südarabien üblich, sind die einzelnen Wörter durch senkrechte Striche voneinander abgegrenzt. Weihgeschenk für die Göttin Allāt Und auch der nun entschlüsselte In- halt der Inschrift stellt klar, dass die Tafel in den Besitz All ā ts übergeben wurde, einer in ganz Arabien verbrei- teten Gottheit, »die hier, unter der ein- heimischen Namensform Hall ā t, als lokale Hauptgöttin verehrt worden sein könnte«, wie Peter Stein vermutet. Ausgehend von Südarabien müssen die Zabur -Schrift und der Brauch, den Göttern metallene Tafeln zu widmen, viele hundert Kilometer zurückgelegt haben, um an der heutigen Fundstel- le in der Golfregion heimisch zu wer- den – vermutlich über den Handel auf der berühmten Weihrauchstraße. Aus zahlreichen im Jemen gefundenen In- schriften ist bekannt, dass es um 300 v. Chr. einen regen Warenverkehr zwi- schen der antiken Handelsstadt Gerrha im Osten der arabischen Halbinsel und der Region des heutigen Jemen gab. »Die ostarabischen Händler, die keine eigene lokale Schriftsprache entwickelt haben, müssen das südarabische Schriftsystem benutzt und ihre Kennt- nisse dann mit in ihre Heimat gebracht haben«, vermutet Stein. Eine zweite Route, die die Zabur -Schrift und der religiöse Brauch genommen ha- ben könnten, verläuft entlang der Süd- küste der Arabischen Halbinsel, durch die Region Hadramawt – den heuti- gen Osten des Jemen bis nach Oman. Auch hier wurde mit Zabur -Schrift auf Holzstäbchen kommuniziert. »Die entstandene lokale Ausprägung des altsüdarabischen Schriftsystems in Ostarabien wird von der Wissenschaft als Hasaitisch bezeichnet«, so Stein. Daneben war in der Golfregion auch die aramäische Schriftsprache bekannt, die seit der Mitte des 1. Jahrtausends im gesamten Vorderen Orient als Ver- kehrssprache diente. Eine aramäische Weihinschrift an dieselbe Gottheit auf einer Bronzetafel ist schon vor längerer Zeit in Mleiha zutage getreten. Die kor- rekte Identifizierung dieser Votivgabe konnte jedoch erst vor dem Hinter- grund der neugefundenen Silbertafel vorgenommen werden. Tempel sind noch unentdeckt Spannend an diesen Weihtafeln sei nicht zuletzt auch die Erkenntnis, dass es in der Nähe von Mleiha Tempel bzw. Weihstätten gegeben haben müs- se. »Bislang wurden allerdings, abge- sehen von turmartigen Grabanlagen, keine Hinweise auf gemauerte Bauten in jener Zeit gefunden. Die permanen- te Besiedlung des Ortes durch die ur- sprünglich wohl nomadische Bevölke- rung setzt erst etwa 100 bis 200 Jahre später ein«, erläutert Stein. Die Funde beantworten damit zwar einige Fragen, geben jedoch weitere Rätsel auf, die es zu lösen gilt. Prof. Dr. Peter Stein hat die Inschrift auf der Silber- tafel (Foto S. 54) entschlüsselt. Er gehört zu den wenigen Experten weltweit, die die altsüdarabische Minuskelschrift Zabur lesen können.

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