Lichtgedanken 03
S C HW E R P U N K T 53 03 | LICHT GEDANKEN Geschenke an die Götter Reisen erweitert den Horizont. Wer andere Menschen und Kulturen kennenlernt, sieht das eigene Leben in einem neuen Licht. Reisende bringen aus der Fremde etwas in die eigene Heimat zurück und hinterlassen Spuren an den Orten, die sie besucht haben. Dass dies schon seit Jahrtausenden gilt, beweisen aktuelle Forschungsergebnisse des Jenaer Semitisten Prof. Dr. Peter Stein: Er hat am Persischen Golf die Inschrift auf einer Silbertafel aus vorislamischer Zeit entschlüsselt, die von der Verehrung der Göttin Allāt in der Golfregion zeugt. Bislang waren derartige Gottesgaben nur aus Südarabien, dem heutigen Jemen, bekannt. TEXT: JULIANE DÖLITZSCH O R I E N T A L I S T I K In Mleiha, einer archäologischen Aus- grabungsstätte, etwa 55 Kilometer öst- lich von Dubai, im arabischen Emirat Schardscha, machten einheimische Forscher vor einigen Jahren zwei Ent- deckungen: Sie gruben eine kleine, sil- berne Tafel sowie einen abgebrochenen Henkel einer Amphora aus dem späten 3. Jahrhundert v. Chr. aus. Beide Funde sind mit Inschriften in Hasaitisch verse- hen, der Sprache, die vor 2 000 Jahren in der Region gesprochen wurde. Allerdings: Die Schrift auf den gefun- denen Objekten stellte die Forscher vor ein Rätsel, denn sie ähnelte nicht den bislang von dort bekannten Buchsta- benformen. Lösen konnte dieses Rätsel der Jenaer Semitist Prof. Dr. Peter Stein, der in den zurückliegenden Jahren in- tensiv die Schriftkultur des antiken Südarabien erforscht hat. Mit Unter- stützung durch den Generaldirektor der Archäologiebehörde in Schardscha, Dr. Sabah Jasim, konnte der Jenaer Forscher jetzt die Inschriften am Original studie- ren und entziffern. Alltagsschrift Zabur Was die Inschrift zunächst so »unleser- lich« machte: Sie ist in Zabur geschrie- Die Ausgrabungsstätte in Mleiha, mit re- konstruierten Turmgräbern aus dem späten 3. Jahrhundert v. Chr. Sie befindet sich im arabischen Emirat Schardscha am Persischen Golf. Hier haben Archäologen Schriftzeugnisse in Zabur gefunden, der Alltagsschrift aus dem antiken Jemen. ben, in kursiven Buchstaben, die im antiken Jemen für das Alltagsschrift- tum verwendet wurden. » Zabur wurde meist in kleine Holzstäbchen geritzt«, erklärt Stein. Briefe, Verträge und Ur- kunden wurden so bereits im frühen 1. Jahrtausend v. Chr. aufgeschrieben und verbreitet. Die »altsüdarabische Minus kelschrift«, wie Zabur auch genannt wird, war bis dato nur aus dem Süden der Arabischen Halbinsel, dem heuti- gen Jemen, bekannt – nicht aber aus der Region um den Persischen Golf. Auch der Inhalt der Inschriften versetz- te die Forscher in Erstaunen: Während
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