Lichtgedanken 03

52 NACH GEDACHT Länger als ein Leben Wenn sich Forscher im Stammbaum des Lebens ver­ ewigen, haben sie nicht immer eine glückliche Hand Vor Kurzem sorgte Donald Trump wieder einmal für Schlag- zeilen. »Oh, really?«, mag man denken, »so what?« Denn: Wann tut Donald Trump das einmal nicht? Doch in diesem Fall hat gar nicht er selbst für Wirbel gesorgt, sondern eine neu entdeckte Tierart – eine Motte – für die Donald Trump Anfang 2017 zumNamensgeber wurde. Neopalpa donaldtrumpi ziert ein gelbweißer Schuppenschopf, der eine gewisse, nicht von der Hand zu weisende Ähnlichkeit mit der Trumpschen Fönfrisur aufweist. Wer auch immer dem armen Tier diesen Namen verpasst hat, er hielt es vermutlich für witzig. Doch ist die Systematik der Lebewesen ein Feld, auf dem man Witze macht? Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen – egal ob längst ausgestor- ben oder im Hamsterrad der fortlaufenden Evolution – alles was kreucht und fleucht, wächst, einen Stoffwechsel betreibt und sich fortpflanzt, wird systematisch geordnet. Dank akri- bisch geführter Taxonomie geht keine Kreatur verloren – zu- mindest auf dem Papier. Und wenn eine Art aus dem Kreis- lauf des irdischen Lebens scheidet, weil sie keine Nahrung, keinen Sexualpartner oder Lebensraum mehr findet, weil Kli- mawandel, eine nachteilige Mutation oder eine Autobahn zu ihremAussterben geführt haben – dann bleiben ihr Name und ihr Platz im ewigen Stammbaum des Lebens bestehen. Ein- geordnet und beschrieben für alle Zeit. Wie lange sich wohl Neopalpa donaldtrumpi halten wird? Oder auch die Riesenkrab- benspinne Heteropoda davidbowie oder der südamerikanische Frosch Hyloscirtus princecharlesi ? Eine Frage, die sich bei Ponomarenkia belmonthensis erst gar nicht mehr stellt. Denn dieser Käfer ist bereits seit mehr als 250 Millionen Jahren ausgestorben. Trotzdem ist Ponomarenkia belmonthensis erst jetzt von einem Forscherteam um den Jenaer Entomologen Rolf Beutel (siehe Seite 50) entdeckt, stammes- geschichtlich einsortiert und wissenschaftlich »getauft« wor- den. Namensgeber für den längst Verblichenen ist der Mos- kauer Paläontologe Prof. Dr. Alexander G. Ponomarenko – ein Mann, übrigens, mit Durchschnittsfrisur und würdigem Bart. Seine Arbeit als Wissenschaftler aber wird von den Jenaer Kollegen hochgeschätzt, weshalb sie den Käfer – der sowohl Merkmale urtümlicher wie moderner Arten vereint – nach ihm benannten. Doch welchen Stellenwert hat eine solche Wertschätzung, wenn eine blondgefärbte Fönwelle offenbar ebenso zur Namensfindung taugt wie wissenschaftliche Me- riten? Es braucht sicher keine »Prüfstelle für wissenschaftliche No- menklatur«, die wie ein Standesamt darüber wacht, dass Eltern ihrem neugeborenen Nachwuchs nicht so etwas zu- muten, wie »Schneewittchen« oder »Winnetou«. Doch bitte, liebe Taxonomen, bewahren Sie die namenlosen, weil noch unentdeckten Käfer, Würmer oder Motten vor einem Schick- sal wie Neopalpa donaldtrumpi ! Bedenken Sie die Reichweite Ihrer Entscheidung, wenn Sie einem bislang unbekannten Ge- schöpf einen Namen geben: Sie schreiben in das ewige Buch des Lebens. Nehmen Sie sich ein Beispiel an den Taufpaten von Ponomarenkia belmonthensis ! Schließlich, so lehren es Poli- tik und Evolution gleichermaßen: Präsidenten und Käferarten kommen und gehen. Die wissenschaftlichen Namen aller Le- bewesen aber bleiben. KOMMENTAR: UTE SCHÖNFELDER 3D-Rekonstruktion von Ponomarenkia belmonthen- sis basierend auf präzisen Zeichnungen des Holo- typs und einer akkuraten 2D-Rekonstruktion. Die Gattung lässt sich aufgrund ihrer ursprünglichen und zugleich modernen Merkmale in keine der vier noch lebenden Käfergroßgruppen einordnen. Daher auch der Beiname »Bad Boy«. Übrigens: Wer sich selbst zum Namensgeber neuer Arten berufen fühlt, der sollte Kontakt mit dem Phyletischen Museum aufnehmen. Gegen eine finanzielle Spende an den Förderverein und mit etwas Geduld kann jeder- mann zum Taufpaten für bislang namenlose tropische Falterarten werden und die Arbeit der Forscher so unterstützen. Denn die führen einen – nicht zu gewinnenden – Wettlauf gegen die Zeit: Viele der auf der Erde lebenden Organismen werden ihre »Taufe« schlicht und ergreifend nicht erleben, weil sie vorher ausgestorben sind. Informationen unter: www.phyletisches-museum.uni-jena.de/falternamen-zu-vergeben

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