Lichtgedanken 03

S C HW E R P U N K T 46 Sie sind Experte für neuartige Batterien auf Polymerbasis, selbstheilende Materialien, innovative Anwendungen des Tintenstrahldrucks. Wieso entwickeln Sie und Ihr Team aus Chemikern und Materialwissenschaftlern jetzt auch noch neue Medikamente? Ein weiteres unserer Spezialfelder sind Pharma-Polymere, also Kunststoffe für den Einsatz in der Medizin. Gemeinsam mit der starken Universitätsmedizin und den außeruniver- sitären Instituten konnten wir in diesem Bereich eine Stär- ke entwickeln, die sich im neuen Sonderforschungsbereich »PolyTarget«, gefördert durch die Deutsche Forschungsge- meinschaft, niederschlägt. Darin wollen wir Wirkstoffe so verpacken, dass sie ohne Nebenwirkung zielgerichtet an die Krankheitsherde kommen. Wieso sollen Wirkstoffe gerade in Nanopartikel verpackt werden und wieso sind gerade die für Infektionskrankhei- ten besonders geeignet? Es gibt viele bekannte Antibiotika, die nicht eingesetzt werden können, weil sie zu viele Nebenwirkungen haben: Die Dosis ist zu hoch, sie verteilen sich überall im Körper. Und es gibt viele mögliche neue Antibiotika, die nicht zum Einsatz kom- men können, weil sie nicht wasserlöslich und dadurch nicht bioverfügbar sind. Wir bieten Lösungen für diese beiden Ein- schränkungen. Wir verpacken die Wirkstoffe in kleinen poly- merbasierten Nanopartikeln. Dadurch werden viel weniger Nebenwirkungen hervorgerufen, auch weil die Dosen kleiner werden können, denn wir sorgen dafür, dass sie Organ- und Zell-spezifisch aufgenommen werden. Diese neuen Phar- ma-Polymere entwickeln wir mit Robotik, mit Hochdurch- satzmethoden, und das gemeinsam mit unseren Kollegen aus der Medizin, bis hin zur Anwendung. Ihre Nanopartikel sind Container für diese Wirkstoffe. Wie sieht denn der ideale Wirkstoffcontainer aus? Der ideale Wirkstoffcontainer ist natürlich nicht giftig, ist bioabbaubar und am Ende werden all seine ungefährlichen Bestandteile wieder ausgeschieden. Außerdem hat er ein GPS-System, mit dem wir programmieren können, in welches Organ, in welche Zelle der Container gelangen muss. Zudem enthält der Container Farbstoffe, so dass man mit einer mo- dernen Mikroskopie nachvollziehen kann, wo er hingeht und man diesen dann noch weiter optimieren kann. Der SFB ist zuerst ein Grundlagenforschungsprojekt, bei dem wir ein Verständnis dafür entwickeln wollen, welche Größe, welche Ladung und welche Art von Polymer muss ich neh- men, um ein genetisches Material oder ein Antibiotikum oder ein Peptid an den gewünschten Ort zu liefern. Wir wollen eine Plattform entwickeln, die es erlaubt, auch zukünftig neue Me- dikamente in relativ kurzer Entwicklungszeit soweit zu brin- gen, dass man andere Krankheiten damit heilen kann. Sie haben bislang nie bei Grundlagenforschung aufgehört. Ist es geplant, die Nanocontainer auch ganz praktisch in Therapie und Diagnostik zu überführen? Auch das ist natürlich geplant. Wir haben bereits eine Aus- gründung, die SmartDyeLivery GmbH, die in Kürze zusam- men mit dem Universitätsklinikum für ein ganz spezielles Krankheitsbild, die septische Cholestase, bereits im Großtier- modell arbeitet. Es gibt verschiedene anwendungsnahe Pro- jekte mit der Industrie. Wir gehen das parallel an. Wann darf man auf die ersten Polymer-Nanocontainer im Einsatz hoffen? Das wird davon abhängen, wie lange man für die medizinischen Regularien und Studien benötigen wird. Ziel des SFBs ist es auf jeden Fall, bereits in vier Jahren eine gewis- se Translation hinzubekommen, so dass Nachfolgeprojekte auch direkt mit Firmen durchgeführt werden können. Das Feld ist so riesig, kann man das selbst mit einem so viel- fältigen Team überhaupt bewältigen? Wir haben uns natürlich eingeschränkt. Die Nanomedizin, die wir betreiben wollen, nutzen wir wirklich nur für infektions- bezogene Krankheiten, u. a. Sepsis. Denn dabei sind wir hier am Standort Jena stark, mit den anderen Schwerpunkten an der Universität und den außeruniversitären Instituten. Nur zusammen können wir die kritische Masse erreichen. Aber wir haben das Glück, dass wir hier in Jena u. a. Medizin, Phar- mazie, Biochemie, die Makromolekulare Chemie und Materi- alwissenschaften haben. Es gibt nicht viele Standorte, die das alles zusammen bieten können. GPS für Antibiotika Woher weiß der Wirkstoff eigentlich, wo er hin soll? Und wie gelangt der Wirkstoff aus der Blut- bahn genau dort hin? Mit polymerbasierten Nano- systemen wollen Jenaer Forscher Medikamente künftig zielgerichtet an den Infektionsherd lotsen und Wirkstoffe – etwa Antibiotika – punktgenau dort abliefern, wo sie gebraucht werden. INTERVIEW: AXEL BURCHARDT Chemiker und Materialwissenschaftler Prof. Dr. Ulrich S. Schubert ist Sprecher des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1278 »PolyTarget« (siehe auch Kasten S. 11). Das Forschungskonsortium unterstützt die an Universität, Uni-Klinikum und außer­ universitären Instituten in Jena breit aufgestellte Sepsis- und Infektionsforschung mit innovativen Trägermaterialien zur zielgerichteten Applikation von Arzneistoffen.

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