Lichtgedanken 03

S C HW E R P U N K T 41 03 | LICHT GEDANKEN fällt Karbonat aus, wenn kaltes Grund- wasser an die Erdoberfläche gelangt und sich dort erwärmt. Durch mikro- bielle Prozesse unterstützt können sich Kohlensäure und Kalzium schließlich zum Kalzit verbinden. Bei diesem als »Biomineralisation« bezeichneten Pro- zess sorgen Bakterien dafür, dass festes Karbonat ausfällt: Es bilden sich kleine Kristalle mit unterschiedlichen Formen, die sich im Wasser absetzen. Bisher war man davon ausgegangen, dass dafür besonders der pH-Wert der Umgebung wichtig ist und durch Mikroben beein- flusst wird: Bei hohem pH-Wert (unter alkalischen Bedingungen) fällt Karbonat aus und es entstehen sogenannte Sinter- gesteine, die aus Kalziumkarbonat bzw. Kalzit bestehen. Ist der pH-Wert nied- rig, liegen also saure Bedingungen vor, bleibt das Karbonat im Wasser gelöst. Die Wissenschaftler vom Jenaer Insti- tut für Mikrobiologie machten nun aber eine überraschende Entdeckung, durch die die Rolle der Mikroorganismen bei der Mineralisation möglicherweise ganz neu bewertet werden muss: Sie stellten fest, dass Bakterien auch in saurer Um- gebung dafür sorgen, dass Karbonate ausfallen anstatt sich zu lösen. Scheiden Bakterien Minerale ab? »Wir haben an den kalkhaltigen Lagen in der Nähe von Bad Kösen verschiede- ne Bakterienstämme aus dem Grund- wasser, dem Gestein und dem Boden entnommen, um dann zu beobachten, ob sie auch unter Laborbedingungen Biomineralisation durchführen kön- nen«, erklärt Prof. Dr. Erika Kothe die Vorgehensweise. »Mehr als 92 Prozent der Mikroorganismen bildeten tatsäch- lich Karbonate – meist Kalzit, in selte- neren Fällen auch Magnesium-haltiges Kalzit oder Vaterit.« Etwas weniger als ein Drittel von ihnen schuf dabei eine al- kalischere Umgebung, weniger als zwei Drittel übten keinen Einfluss auf den pH-Wert des sie umgebenden Mediums aus. Sechs Stämme sorgten sogar für saurere Bedingungen. »Offensichtlich gibt es einen bisher unbekannten Pro- zess, der auch bei niedrigem pH-Wert erlaubt, Minerale zu bilden«, fasst Ko- the zusammen. Bei näherer Betrachtung einzelner Bak- terien unter dem Mikroskop stellten die Forscher zudem fest, dass die neu entstandenen Minerale nicht zwangs- läufig direkt an den Bakterienzellen angelagert sein müssen, sondern auch entfernt davon auftreten. Das bedeute, dass es sich um einen diffundierenden, also streuenden, Mechanismus handeln muss, der die Mineralisation auslöst – wahrscheinlich spielen dabei Substan- zen eine Rolle, die die Bakterien aus- scheiden. Darüber hinaus unterscheidet sich auch die äußere Form des Präzipi- tats. »Wir haben sehr unterschiedliche morphologische Versionen gefunden, von rundlich über länglich bis hin zu rosettenförmigen Kristallen«, sagt die Mikrobiologin. Und noch einen erstaun- lichen Zusammenhang haben die Jenaer Mikrobiologen festgestellt: Hochgerech- net auf 365 Tage entstehen hier etwa zwei Gramm neues Gestein – das ent- spricht ziemlich genau dem bekannten jährlichen Wachstum eines Stalaktiten. Der beobachtete Vorgang ist also aus der Natur durchaus bekannt. Die aktuellen Ergebnisse werfen eine Menge neuer Fragen zur Biomineralisa- tion auf, die Forscher in den kommen- den Jahren beantworten wollen. »Unser Ziel ist es, den Prozess, der hinter der Mineralisation steckt, zu identifizieren«, sagt Erika Kothe. »Wir haben damit begonnen, bei einem Bakterienstamm – einem Streptomyceten – Gene auszu- schalten und so herauszufinden, welche für die Mineralbildung verantwortlich sind. Dabei konnten wir bereits erste Er- folge verbuchen.« In der genaueren Erforschung grund- legender Prozesse dieser Art der Mi- neralbildung steckt sogar Potenzial für praktische Anwendungen: Mit den In- formationen kann man beispielsweise bereits die Entwicklung selbstheilender Baustoffe voranbringen. Sporen können in Beton oder Straßenbelag integriert werden, die – wenn sie durch eindrin- gendes Wasser zu keimen beginnen – Mineralisation induzieren und Risse aus dem Inneren heraus wieder schließen. Für Erika Kothe zeigen die Resultate einmal mehr, wie gewinnbringend die Zusammenarbeit von Mikrobiologen und Geowissenschaftlern ist. »Wir wis- sen nun, dass Mineralbildung weitaus komplexer ist als gedacht und dass mikrobiologische Prozesse dabei eine wichtige Rolle spielen.« Die beiden Disziplinen führe das noch näher zu- sammen. An der FSU sind die Grenzen sowieso schon sehr durchlässig: Koope- rationen bestehen seit dem Jahr 2000, Doktorandin Hanka Brangsch vom Institut für Mikro- biologie inspiziert Mikrotiterplatten mit Bakterienkul- turen, die mit Schwermetallen wachsen.

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