Lichtgedanken 03
S C HW E R P U N K T 38 und im Grundwasser völlig verschie- dene Welten«, weiß Prof. Küsel. Die Mikroorganismen unterscheiden sich in ihrer Lebensweise deutlich. »Wenn wir also Bodenorganismen im Grundwasser finden, dann ist das kein Zufall«, un- terstreicht die Inhaberin des Lehrstuhls für Aquatische Geomikrobiologie und nennt den Eintrag von Oberflächenor- ganismen ins Grundwasser als Beleg für die enge Verknüpfung von ober- und unterirdischen Lebensräumen. Obwohl die meisten Archaeen aus dem Boden in Wasser nicht lange überleben, haben die Forscher über den gesamten untersuchten Streckenabschnitt Ar- chaeen in Grundwasserproben nach- weisen können. Dies zeige, so ihr Fazit, dass es über die gesamte Strecke zu einem Eintrag ins Grundwasser kom- men müsse. »Vor allem im Bereich des Hainich, wo die Grundwasserleiter relativ dicht unter dem Boden verlau- fen, war der Eintrag hoch«, so Küsel. Die Organismen, die ihren Umzug aus dem Boden ins Grundwasser am ehes- ten überlebten, konnten als sogenannte »Thaumaarchaeota« (vom griechischen »thauma« für »Wunder«) und als nach dem amerikanischen Mikrobiologen Carl RichardWoese benannte »Woesear- chaeota« identifiziert werden. In einer weiteren Untersuchung haben die Wissenschaftler die gewonnenen Um Mikroorganismen in Boden- oder Wasserproben zu identifizieren, nutzen Wis- senschaftler heute vorwiegend die Methodik der Genomsequenzanalyse . Diese hat gegenüber früheren Methoden, etwa der Kultivierung von Mikroben auf Nährböden, den Vorteil, dass damit auch Organismen analysiert werden können, die sich bislang nicht kultivieren lassen. Außerdem liefert das automatisierte Hochdurchsatzverfah- ren die Ergebnisse in kürzerer Zeit und benötigt einen Bruchteil an Arbeitsaufwand. Für die Identifizierung wird ein » genetischer Fingerabdruck « der Keime herangezo- gen. Genau wie ein echter Fingerabdruck kann dieser mit dem anderer Proben ver- glichen und bereits bekannte Organismen können so eindeutig identifiziert werden. Zusätzlich ermöglicht dieses Verfahren aber auch die Bestimmung bisher gänzlich unbekannter Arten und ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen. In einem ersten Arbeitsschritt wird das Erbgut der Mikroorganismen aus den Was- ser- oder Gesteinsproben extrahiert. Dabei ist größte Sorgfalt notwendig, um eine Verunreinigung mit anderen Mikroorganismen, die überall in unserer Umgebung vor- kommen, zu vermeiden. Die so erhaltenen, zumeist nur wenigen Erbgutschnipsel werden anschließend in einem automatisierten Verfahren in großer Zahl kopiert. Dabei kommt die » Polymerase Chain Reaction « (PCR) zum Einsatz. Anschließend werden die genetischen Informationen » ausgelesen « , das heißt, die Sequenz der Erbinformationen bestimmt. Interessant für die Identifizierung von Mikroorganismen ist unter anderem die soge- nannte 16S rRNA. Diese bezeichnet Abschnitte der ribosomalen RNA (rRNA) , die in allen Organismen vorkommen und über den gesamten Zeitraum der Evolution konserviert wurden. Die Ribosomen sind komplexe Gebilde aus Nukleinsäuren und Proteinen, die in allen Zellen vorkommen und an denen die Proteinbiosynthese statt- findet – ein universeller Lebensprozess. Das Gen der 16S rRNA ist zwar einerseits hochkonserviert, das heißt, es kommt in allen Organismen vor, zeichnet sich aber da- rüber hinaus durch eine sehr hohe Variabilität aus. Mittlerweise stehen in öffentlich zugänglichen internationalen Datenbanken Tausende Sequenzen der 16S rRNA als Vergleichssequenzen zur Verfügung, die eine direkte Identifizierung ermöglichen. Die Methode wird nicht nur in der Analytik von Umweltproben angewandt. Sie kommt heute praktisch überall zum Einsatz, wo Mikroorganismen identifiziert wer- den müssen, so zum Beispiel in der klinischen Diagnostik zum Nachweis von Krank- heitserregern. Die Kenntnis der 16S rRNA liefert nicht nur die Grundlage für den Nachweis eines bestimmten Mikroorganismus in einer Probe. Da sich die ribosomale RNA im Laufe der Evolution kaum verändert hat, ist sie eine Art » molekularer Zeitmesser « . Sie ermöglicht die Einordnung der jeweiligen Art in den universellen Stammbaum des Lebens und die Ermittlung der nächstverwandten Arten. Anhand der ribosomalen RNA-Sequenzen ist auch der heute allgemein anerkannte phylogenetische Stammbaum allen Lebens erstellt worden. Dieser teilt die auf der Erde lebenden Organismen in drei Domänen ein: die Bakterien, die Archaeen und die sogenannten Eukaryoten, zu denen unter anderem sämtliche höheren Organismen wie Pflanzen, Tiere und Pilze gehören. Was die Mikroorganismen betrifft, so gehen Schätzungen heute davon aus, dass bisher lediglich ein bis fünf Prozent aller Ar- ten überhaupt bekannt sind. Von mehr als 90 Prozent aller Bakterien und Archaeen kennt man bisher lediglich ihre rRNA-Sequenzen, ohne sie jemals in einer Petrischa- le kultiviert oder mit einem Mikroskop sichtbar gemacht zu haben. H I N T E R G R U N D Foto oben: Bohrkernprobe einer Schillkalkbank (Ober- er Muschelkalk). Die durch Verkarstung erweiterten Klüfte stellen Fließpfade des Grundwassers dar. Foto rechts: Beprobung von Grundwasser im »Hainich Critical Zone Exploratory« an einem Standort mit der Bodennutzung als Weideland.
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