Lichtgedanken 03

S C HW E R P U N K T 37 03 | LICHT GEDANKEN Der Untergrund steckt voller Leben. In Böden und Sedimenten, im Grundwasser und sogar im Gestein tummeln sich zahlreiche Mikroorganismen. Doch die Lebensbedingungen in der Tiefe sind hart. Es mangelt an beinahe allem, was Organismen zum Leben brauchen: Nährstoffen, Licht, Energiequellen; hinzu kommt, dass in der Tiefe teilweise extreme Temperaturen und hoher Druck herr- schen. Welche Mikroben dieser unwirtlichen Umgebung trotzen und mit welchen Strategien sie ihr Überleben in der Unterwelt sichern, ist bisher noch weitgehend unerforscht. Jenaer Ökologen, Geowis- senschaftler und Chemiker verfolgen die Spuren des verborgenen Lebens im Untergrund. TEXT: UTE SCHÖNFELDER Not macht erfinderisch, sagt ein Sprich- wort. Wo es Menschen an Nahrung oder anderen Gütern zum Leben mangelt, wächst die Bereitschaft zum Teilen, Tau- schen und Improvisieren. In der unterir- dischen Mikrowelt ist das nicht anders, beispielsweise im Grundwasser. Tief im Gestein, wo sich das Niederschlags- wasser sammelt, nachdem es durch den Boden versickert ist, ist für Mikroorga- nismen kein Leben in Saus und Braus möglich. Wer mit dem kargen Nähr- stoffangebot hier unten fernab oberirdi- scher Stoffkreisläufe auskommen will, braucht verlässliche Partner. »Es gibt eine ganze Reihe von Mikroor- ganismen, die sich im Grundwasser ein- gerichtet haben«, weiß Prof. Dr. Kirsten Küsel. Bakterien und andere Einzeller führen hier ein Leben auf absoluter Sparflamme. »Die meisten dieser Or- ganismen haben ein stark reduziertes Genom und sind zum Überleben auf Partner angewiesen«, sagt die Ökologin. Um Energie zu sparen, haben viele Mi- kroben einen Teil ihrer Stoffwechselwe- ge einfach stillgelegt oder gleich ganz abgeschafft und halten nur ein absolutes Notprogramm aufrecht. Das hilft zum Überleben. Deshalb nutzen sie Stoff- wechselprodukte von anderen Organis- men, die sich ihrerseits für ein anderes Stoffwechsel-Sparmodell entschieden haben und tauschen überlebensnotwen- dige Substanzen untereinander aus. Ein solch streng aufeinander abge- stimmtes Überlebensnetzwerk macht das Ökosystem in den Grundwasserlei- tern extrem anfällig, betont Prof. Küsel. »Wenn eine Art Schaden nimmt oder nicht überlebt, trifft das die Partner ebenso.« Wie das unterirdische mikrobi- elle Gleichgewicht seine Stabilität erhält, wie es überhaupt entsteht und welchen Einflüssen es unterliegt, das untersu- chen die Forscherinnen und Forscher in Zusammenarbeit mit zahlreichen Part- nern im Rahmen des Sonderforschungs- bereichs 1076 »AquaDiva« (siehe S. 11). Dafür haben sie im Thüringer Hainich eine einzigartige Forschungsplattform etabliert: das »Hainich Critical Zone Exploratory« (CZE). In dem rund zwölf Quadratkilometer großen Freilandlabor gewinnen die Forscher Wasser-, Gas- und Stoffproben aus unterirdischen Kompartimenten, den Böden, der unge- sättigten Zone und dem Grundwasser, um diese zu charakterisieren und deren Funktionen zu verstehen. Die sogenannte »Kritische Zone« er- streckt sich von der bodennahen At- mosphäre bis hinab zu den Grundwas- serleitern. Auf sechs Kilometern Länge sind im CZE eine Vielzahl an Mess- und Probenahmestellen eingerichtet wor- den. Beginnend in den Wäldern des Nationalparks Hainich über Wiesen bis hin zu bewirtschafteten Ackerflächen haben die Wissenschaftler den Unter- grund jeweils bis in die Grundwasser- leiter hinein angebohrt. »Das geht fast einhundert Meter tief durch Boden und Gesteinsschichten des Quartärs und des Oberen Muschelkalk«, sagt Prof. Dr. Kai Uwe Totsche, Hydrogeologe und neben Prof. Küsel und Prof. Dr. Susan Trumbo- re Sprecher von AquaDiva. Auf diese Weise konnten die Forscher anhand der erhaltenen Bohrkerne nicht nur die Böden und den geologischen Untergrund dieses Freilandlabors re- konstruieren. Die entnommenen Was- ser- und Gesteinsproben liefern jetzt auch bemerkenswerte Daten über die Mikrobengemeinschaften in der Tiefe. »Wundersame« Einzeller werden aus den Böden in das Grundwasser gespült In einer aktuellen Publikation hat das Forscherteam beispielsweise die Ar- tenvielfalt sogenannter Archaeen im Grundwasser und im Gestein charak- terisiert. Diese urtümlichen Einzeller besiedeln häufig Lebensräume mit ex- tremen Bedingungen. So sind Archaeen bekannt, die bei Temperaturen von über 100 Grad Celsius leben, etwa in Gebie- ten mit vulkanischer Aktivität in Geysi- ren; andere halten extrem hohem Druck oder hohen Salzkonzentrationen stand. Doch auch im Boden kommen Archaeen in erheblichem Maße vor. Aus der aktuellen Jenaer Studie geht nun hervor, dass die bodenlebenden Archaeen über Wasser- und Stofftrans- porte aus dem Boden durch die darun- terliegenden Gesteinsschichten bis ins Grundwasser gelangen. »Normalerwei- se sind die Mikrobiome im Waldboden Überleben in der Unterwelt Messrohre einer Grundwassermessstelle für verschiedene Anwendungen wie Grundwasserprobe- nahme, Sondenmonitoring oder in situ -Experimente.

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