Lichtgedanken 03

S C HW E R P U N K T 34 Chlamydomonas reinhardtii Klein, wendig, schnell: Die einzellige Grünalge Chlamydomonas reinhardtii ist ge- rade einmal zehn Mikrometer groß und damit rund zehn Mal dünner als ein Blatt Papier. Doch mit ihren zwei Geißeln kommt sie so richtig in Fahrt. Bezogen auf ihre Größe schwimmt C. reinhardtii bis zu zwölf Mal schneller als ein Mensch. Grund für die Eile der winzigen Alge ist meist ein Wechsel der Lichtverhältnisse. Je nach Lichteinfall und -intensität sucht sie sich die optimale Position für Pho- tosynthese und Energiegewinnung . Die Mikroalgen sind Süßwasserbewohner. Sie sind weltweit verbreitet und kommen neben Gewässern auch in feuchten Böden vor. Zur Wahrnehmung von Licht nutzt C. reinhardtii eine Vielzahl von Photore- zeptoren. Einige davon befinden sich im sogenannten Augenfleck , der sich am »Äquator« des Einzellers befindet und durch Carotinoide gelborange gefärbt ist. Untersuchungen an diesen Rezeptoren haben ein neues Forschungsfeld – die Optogenetik – eröffnet, in dem bestimmte Eiweiße aus Chlamydomonas als »molekulare Lichtschalter« in der Neurobiologie einsetzt werden. Die Alge verfügt über einen ausgeprägten Tag-Nacht-Rhythmus , der – ähnlich wie bei uns Menschen – von einer »inneren Uhr« gesteuert wird. Auch wenn die Algen dauerhaft im Dunkeln gehalten werden, läuft der Rhythmus mit einer Periode von ungefähr 24 Stunden weiter, d. h. die Algen »wissen« immer noch, wann es eigentlich Tag oder Nacht wäre. Chronobiologen bezeichnen dies als circadianen Rhythmus und unterscheiden den subjektiven Tag bzw. die sub- jektive Nacht. Registrieren die Grünalgen Lichtpulse während ihres subjektiven Tages, so schwimmen sie auf das Licht zu; werden sie aber während ihrer sub- jektiven Nacht mit Lichtpulsen angestrahlt, bewegen sie sich nicht. Interessant für die Forschung ist C. reinhardtii auch deshalb, weil sich an dem einfachen Organismus viele grundlegende entwicklungsbiologische und physio- logische Prozesse studieren lassen. Da die Grünalge nur einen haploiden (»einfachen«) Chromosomensatz enthält, lassen sich gezielte Eingriffe in das Erbgut der Mikroalgen direkt und unmittelbar studieren. C. reinhard- tii war eine der ersten Grünalgen, deren Genom vollständig sequenziert worden ist, was ihre Bedeutung als Modellorganismus unterstreicht. Die Erbsubstanz umfasst mehr als 15 000 Gene, die teilweise mit pflanzlichen Genen übereinstimmen, aber teilweise auch Gemeinsamkeiten mit tieri- schen Genen zeigen. Die Grünalge wird zudem auch immer wichtiger für biotechnologische Pro- zesse . So wird sie zur Erzeugung von Biodiesel oder alternativen Energie- quellen wie Wasserstoff eingesetzt. C. reinhardtii ist außerdem der erste bekannte pflanzliche Organismus, der zur Energiegewinnung Zellulose – also andere Pflanzen – verdauen kann. Wenn in ihrer Umgebung zu wenig Kohlendioxid vorhanden ist, das sie für die Photosynthese braucht, bildet die Mikroalge Enzyme, die es ihr stattdessen erlauben, Zellulose abzubau- en. Damit wird die Alge auch zur Gewinnung von Biokraftstoffen aus zellu- losehaltigen Pflanzenabfällen interessant. Bereits im Jahr 2014 kürte die Sektion Phykologie der Deutschen Botani- schen Gesellschaft Chlamydomonas reinhardtii zur »Alge des Jahres« . Doktorand Prasad Aiyar forscht an Kulturen der einzelligen Grünalge Chlamydomonas reinhardtii .

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