Lichtgedanken 03

S C HW E R P U N K T 33 03 | LICHT GEDANKEN Treibjagd in der Petrischale Wenn die Grünalgen Chlamydomonas reinhardtii auf Bakterien der Art Pseudomonas protegens treffen, ist ihr Schicksal besiegelt. Die nur etwa zwei Mikrometer großen Stäbchen umzingeln die etwa fünf Mal größeren Algen und attackieren sie mit einem tödlichen Giftcocktail. Die Algen verlieren daraufhin ihre Geißeln, was sie zur Bewegungslo- sigkeit verdammt. Anschließend verformen sich die grünen Einzeller und sind nicht mehr in der Lage, sich zu vermehren. Den chemischen Mechanismus hinter dem effektiven Beutezug der Bakterien haben Botaniker und Naturstoffchemiker jetzt aufgedeckt. TEXT: UTE SCHÖNFELDER Es ist ein schauriges Schauspiel, das sich Prasad Aiyar beim Blick durchs Mikro- skop bietet. Der aus Indien stammende Doktorand vom Institut für Allgemeine Botanik und Pflanzenphysiologie, der zuvor für sein Masterstudium in »Mo- lecular Life Sciences« nach Jena gekom- men ist, beobachtet auf einemObjektträ- ger Mikroalgen der Art Chlamydomonas reinhardtii . Die rund zehn Mikrometer großen, oval geformten Einzeller tragen jeweils zwei Geißeln, mit deren Hilfe sie munter hin- und herschwimmen. Bis zu dem Moment, in dem Prasad Aiyar mit einer Pipette einen Tropfen einer Bak- terienlösung dazu gibt. Die wesentlich kleineren Bakterien sammeln sich zu Schwärmen, die die Algen einkesseln. Nur anderthalb Minuten später verhar- ren die Algen vollkommen reglos und beim genauen Betrachten ist zu erken- nen, dass sie entgeißelt wurden. Warum die Bakterien eine solch verhee- rende Wirkung auf die Grünalgen ha- ben, konnten Jenaer Forscherinnen und Forscher jetzt aufdecken. Wie die Teams um Prof. Dr. Maria Mittag und Dr. Se- verin Sasso von der Friedrich-Schil- ler-Universität sowie Prof. Dr. Christian Hertweck vom Leibniz-Institut für Na- turstoff-Forschung und Infektionsbio- logie – Hans-Knöll-Institut (HKI) im Fachmagazin Nature Communications zeigen, spielt dabei eine chemische Sub- stanz die zentrale Rolle. Orfamid A, so heißt die Substanz, ist ein zyklisches Lipopeptid, das die Bakteri- en zusammen mit anderen chemischen Verbindungen freisetzen. »Unsere Er- gebnisse weisen darauf hin, dass Orfa- mid A auf Kanäle in der Zellmembran der Algen wirkt, was zur Öffnung die- ser Kanäle führt«, erläutert Dr. Severin Sasso das Ergebnis der Jenaer Studie. »Das führt zu einem Einstrom von Kal- ziumionen aus der Umgebung in das Zellinnere der Algen«, führt der Lei- ter der Arbeitsgruppe für Molekulare Botanik aus. Eine rasche Änderung der Konzentration von Kalziumionen ist ein verbreitetes Warnsignal für viele Zell- typen, das zahlreiche Stoffwechselwe- ge reguliert. »Um die Veränderung des Kalzium-Spiegels in der Zelle beobach- ten zu können, haben wir das Gen für ein Photoprotein in die Grünalgen ein- Agarplatte mit Grün- algen, auf die Bakterien (Mitte) bzw. Bakterien­ extrakte aufgebracht sind. Im Zentrum ist deutlich ein gehemmtes Algenwachstum als Halo erkennbar.

RkJQdWJsaXNoZXIy OTI3Njg=