Lichtgedanken 03
S C HW E R P U N K T 28 ist bei der Ähnlichkeit von Mikro- skopen, die die Biologen und die Physi- ker verwenden. Offenbar lassen sie sich im diskutierten Fall nicht gut verglei- chen. Gemeinsam tauschen wir Labor- kittel gegen Jacke und setzen uns in Be- wegung, um uns nur wenige Minuten später in einem Physiklabor des Abbe Center of Photonics wiederzufinden. Mikrofluidik gibt Auskunft über die Zusammensetzung der Blutproben Diesmal mit Schuhüberziehern ausge- stattet, begutachte ich ein Mikroskop. Unter dem Objektiv liegt ein Chip mit eingestanzten feinen, sich windenden Linien. Susanne Pfeifenbring, die hier einen Großteil ihrer Zeit verbringt, er- klärt mir, was es mit diesem auf sich hat. Die etwa einen mal anderthalb Zentime- ter große – oder besser kleine – Platte sei das Fundament für die tropfenbasierte Mikrofluidik. Auf meinen fragenden Blick hin wird die Physikerin, die im Rahmen von BLOODi am Leibniz-In- stitut für Photonische Technologien (IPHT) promoviert, konkreter: »Wir ge- ben einen Blutstropfen in den Chip und untersuchen die Blutzellen mit nicht- linearer Schwingungsspektroskopie.« Kaum weniger ratlos als vorher studiere ich den Chip, doch Pfeifenbring fährt schon fort: »Jede Zelle besteht aus ver- schiedenen Makromolekülen wie Pro- teinen, Lipiden und DNS. Indem wir mit zwei Laserpulsen auf das Vollblut strahlen, regen wir selektiv verschie- dene Moleküle zum Schwingen an und beobachten ihre Verteilung in der Zelle. Da das Schwingungsspektrum der Zelle so spezifisch wie ein Fingerabdruck ist, erkennen wir daran die biochemische Zusammensetzung. So finden wir zum Beispiel die Neutrophilen im Vollblut.« Wichtig sei dies, weil die Forscher auch im Physiklabor auf die kleinstmögliche Beeinträchtigung der Blutproben setzen und, entgegen dem Vorgehen bei der bislang üblichen Durchflusszytometrie, keine Zellen markieren wollen. Durch die Schwingungsspektroskopie, auch Raman-Spektroskopie genannt, wür- den sie so erfahren, um welche Zellen es sich handelt – und im Idealfall, ob diese Kontakt mit bestimmten Krank- heitserregern hatten. »Nichtlineare La- serspektroskopie mit Mikrofluidik zu verbinden, um Vollblut zu untersuchen, ist absolutes Neuland«, erzählt Susanne Pfeifenbring. Während wir uns langsam auf den Weg nach draußen machen, hebt Marc Thilo Figge noch einmal deutlich das Kennzeichen von BLOODi hervor: »Bei uns entwickeln Physiker neue optische Methoden, für die sie von allein keine Notwendigkeit sehen würden. Und un- sere Biologen wissen, was sie untersu- chen und herausfinden möchten, kön- nen jedoch nicht die Methoden dafür schaffen.« Durch die enge Verbindung von Laserphysikern, Biologen und Im- munologen entstehen so fruchtbare Forschungsideen und die Möglichkeit, sie durch Mitwirkung aller auch umzu- setzen. Zeitraffermikroskopie macht Unter- schiede sichtbar Und weil alle Labortätigkeit auch je- manden braucht, der sie analysiert und interpretiert, ergänzen Wissen- schaftler wie Prof. Figge selbst und der Doktorand Ivan Belyaev das Team. Im Zentrum für Systembiologie der Infek- tion am HKI, das wir zu guter Letzt ansteuern, werten sie die Experimente rechnerisch aus. Dazu erhalten sie zum Beispiel die Daten von Alessandra Ma- rolda und betrachten die Entwicklung der Neutrophilen in den einzelnen »Schnappschüssen« genauer. Die mit dem Zeitraffermikroskop er- stellte Bilderfolge, auch als Live Cell Imaging bezeichnet, erlaubt es, dynami- sche Charakteristika der Zellformen zu bestimmen. »So können wir diagnosti- sche Kriterien für gesunde und erkrank- te Zellen festhalten«, erläutert Belyaev, Prof. Dr. Marc Thilo Figge (l.) und Doktorand Ivan Belyaev werten die Experimente rechnerisch aus. Hier betrachten sie die Morphokinetik der neutrophilen Granulozyten aus dem Live Cell Imaging.
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