Lichtgedanken 02
Rubrik 55 02 | LICHT GEDANKEN Ticker Bereicherung oder Bedrohung Studierende untersuchen das Meinungsklima über Flüchtlinge Master-Studierende im Studiengang »Öffentliche Kommuni- kation« beginnen bereits während des Studiums zu forschen: In der Lehrveranstaltung »Kommunikationspsychologische Analyse« etwa gilt es für sie, selbstständig ein Forschungspro- jekt zu konzipieren, durchzuführen und auszuwerten. »Ich bin ja nicht rechts, aber…« Stephanie Wohlt, Tarek Barkouni, Anika Czichy, Kirsten Rich- ter, Kristin Silge und Anna Welzel haben in ihrem Projekt »Ich bin ja nicht rechts, aber…« Einstellungen zu Flüchtlingen untersucht. »Diese Aussage suggeriert, dass man – entgegen dem Bild, das man von sich selbst hat und das andere von einem haben sollen – doch innerlich mit der ein oder ande- ren Ansicht sympathisiert. Das wollten wir näher betrachten«, sagt Kirsten Richter. »Unser Ziel war einerseits, das gegen- wärtige Meinungsklima zu Flüchtlingen einzufangen. Zusätz- lich wollten wir herausfinden, ob sich implizite und explizite Einstellungen unterscheiden«, erzählt Richter. Implizite Ein- stellungen sind tief in der Persönlichkeit verankert, oft unbe- wusst. Bewusste, geäußerte Einstellungen werden als explizit bezeichnet. »Bezogen auf die 144 Teilnehmer, von denen die meisten Stu- denten und zwischen 20 und 35 Jahre alt waren, können wir ein eher positives Klima Flüchtlingen gegenüber feststellen. Dennoch ist aufschlussreich, dass der implizite Test, bei dem positive und negativeAssoziationen der Versuchspersonen so- wohl zu Flüchtlingen als auch zu Deutschen erhoben wurden, tatsächlich negativer ausgefallen ist als der explizite, für den es konkrete Fragestellungen gab«, berichtet Stephanie Wohlt. »Daraus ließe sich ableiten, dass im expliziten Fragenteil posi- tiver geantwortet wurde, um sich selbst als offener darzustel- len oder um mehr soziale Zustimmung zu erhalten. Ob das bewusst oder unbewusst geschehen ist, lässt sich allerdings nicht sagen«, erklärt Richter eine Möglichkeit der Diskrepanz. Die nicht-repräsentative Studie der Gruppe zeigt überdies, dass durch Flüchtlinge ausgelöste Bedrohungsgefühle mit ne- gativen Einstellungen diesen gegenüber zusammenhängen. Wer Flüchtlinge als Risiko betrachtet, hat kritischere Einstel- lungen; wer Flüchtlinge eher als Bereicherung wahrnimmt, verfügt ihnen gegenüber auch über eine positivere Haltung. jd Geteiltes Leid – doppeltes Leid Wie Verbraucher Dienstleistungsfehler wahrnehmen Der Zug hat Verspätung, das Essen ist kalt oder das Früh- stücksbuffet im Hotel bereits abgeräumt, wenn man den Spei- sesaal betritt – immer wieder kann es imDienstleistungssektor zu Pannen kommen. Ein Team um den Marketing-Experten Prof. Dr. Gianfranco Walsh konnte zeigen, dass ein und das- selbe Serviceproblem ganz unterschiedlich wahrgenommen wird, abhängig davon, ob die Kunden alleine oder als Grup- pe betroffen sind. Demnach führen Dienstleistungsfehler, die eine Gruppe betreffen, zu weitaus größerem Ärger über den Anbieter als individuelle Fehler, wie die Forscher im »Journal of Service Research« berichten. Sie begründen dies mit dem Konsensus-Effekt, der besagt, dass Personen die Ursachen für ein Ereignis eher außerhalb des eigenen Einflussbereiches ver- muten, wenn andere ebenfalls davon betroffen sind. US Mieser Service? Für enttäuschte Kunden macht es einen großen Unterschied, ob sie allein von einer Servicepanne betroffen sind oder als Gruppe, so das Ergebnis der Studie. Kunden sind nach einem Gruppendienstleistungsfehler eher bereit, vor Be- kannten negativ über den Anbieter zu sprechen und sich bei diesem zu beschweren. Wie nehmen Bundesbürger Flüchtlinge war, die hier Zuflucht suchen? Ein Ergebnis des studentischen Forschungsprojekts: Wer sich selbst stärker als Deutscher oder als Teil von Deutschland identifiziert, empfindet Fremde eher als Bedrohung – und hat ablehnendere Anschauungen ihnen gegenüber.
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