Lichtgedanken 02
Rubrik 54 Kontakt Dr. Stefanie Hechler Institut für Psychologie Humboldtstraße 26, 07743 Jena Telefon: 03641 / 945256 E-Mail: stefanie.hechler@uni-jena.de www.psychologie.uni-jena.de Original-Publikation Hechler S et al. The infamous among us: Enhanced reputational memory for uncoope- rative ingroup members. Cognition (2016), DOI: 10.1016/j.cognition.2016.08.001 Die Psychologin Dr. Stefanie Hechler hat gemeinsam mit Kollegen ermittelt, dass wir uns besonders gut an Personen erinnern, die Fehlverhalten abseits der Norm zeigen. wenn sich ein Mitglied der eigenen Gruppe als Betrüger entpuppt. Denn: In sozialen Gruppen nehmen sich die Menschen als Gemeinschaft wahr, die ein gemeinsames Ziel verfolgen oder sich zumindest in der gleichen Situation befinden. »Dadurch glauben wir, dass die anderen Gruppenmitglieder uns ähnlich sind und erwarten kooperatives Verhalten«, sagt Dr. Hechler. Wenn dies nicht der Fall sei, werde das als Gefahr wahrgenommen – und dann schrillen die Alarmglocken. Abweichler sind eine Gefahr für die ganze Gruppe »Unsere Ergebnisse zeigen, dass selbst so basale Vorgänge wie Gedächtnispro- zesse, die wir eher unbewusst steuern, von sozialen Kategorisierungen beein- flusst sind«, sagt Stefanie Hechler. »Wir speichern das Handeln gegen die Norm als Gefahr für die Gruppe besonders ab – und somit auch denjenigen, der dafür verantwortlich ist.« Diese Ergebnisse konnten die Psycholo- gen in einer zweiten Studie bestätigen. Die war ähnlich aufgebaut wie die erste. Allerdings haben sich hier die anderen Versuchspersonen nicht nur entweder fair oder unfair verhalten, sondern in einigen Fällen auch unauffällig bzw. neutral. Erneut blieben den Studienteilnehmern vor allem die Unkooperativen in der ei- genen Gruppe – dieses Mal durch einen farbigen Schal markiert – im Gedächt- nis. Sie fielen vor allem gegenüber den- jenigen auf, die sich neutral verhielten. Und sie wurden signifikant häufiger als Störenfriede wiedererkannt, als die Teil- nehmer der anderen Gruppe, die sich genauso unkooperativ verhalten hatten. Ein weiteres interessantes Ergebnis der Jenaer Studie: »Obwohl unkooperatives Verhalten in der eigenen Gruppe we- sentlich stärker erinnert wird, erwarten es die Teilnehmer des Experiments vor- rangig in der jeweils anderen Gruppe«, so Hechler. »Das bestätigt einmal mehr, dass wir unsere eigene Gruppe grund- sätzlich als positiver bewerten als die Fremdgruppe.« Die vorliegenden Ergebnisse werfen für die Psychologen nun neue Fragen auf, denen sie in ihrer weiteren Forschungs- arbeit nachgehen wollen, etwa wie sta- bil das positive Selbstbild der eigenen Gruppe ist. Wie lange und in welchem Ausmaß wird unkooperatives Verhalten innerhalb der eigenen Gruppe toleriert, bis sich die Gruppenmitglieder davon distanzieren? Und welche Rolle spielen dabei Wahrnehmungs- und Gedächtnis prozesse? »Außerdem stellen wir uns die Frage, ob das bessere Erinnern an Abweichler nur für negatives Verhalten gilt oder ganz generell«, sagt Dr. Hech- ler. Auch die psychologischen Grund- lagen für das unterschiedliche Erinne- rungsvermögen wollen die Forscher näher untersuchen. Ist es das unfaire Handeln selbst, das das Erinnern ver- stärkt oder ist es das damit verbundene Ausnutzen der anderen Gruppenmit- glieder, die sich selbst fair verhalten. Die vorgelegten Forschungsergebnisse sind im Rahmen des Projekts »Coopera- tion in social groups: cheater perception and memory in intergroup contexts« entstanden, das Teil der von der Deut- schen Forschungsgemeinschaft geför- derten Forschergruppe »Person Percep- tion« der FSU ist.
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