Lichtgedanken 02
Rubrik 51 02 | LICHT GEDANKEN Bilder links: Das Jenaer Stück des Stubenberg- Meteoriten (»Stubenberg M6«). Rund 35 Gramm wog der Stein aus gewöhnlichem Chondrit, von dem ein Teil abgesägt und für Analysen zur Verfügung gestellt wurde. Das hellgraue, leicht schimmernde Gestein ist umgeben von einer tiefschwarzen Schmelzkruste – den Spuren der glühend-heißen Passage durch die Erdatmosphäre. Ursprünglich stammt er aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Links oben: Fundort in einem Waldstück; links unten: Das verbliebene Stück des Meteoriten mit Schnittfläche. Bild rechts: Dr. Agnese Fazio und Dr. Dennis Harries. Wenn sie nicht gerade auf Meteoritenjagd sind, analysieren die Mineralogen Gesteinsproben, wie hier mit einem Raman-Mikroskop. mosphäre etwa 600 Kilogramm und ei- nen Durchmesser von 70 cm gehabt ha- ben«, erzählt Agnese Fazio. »Es müssten weit größere Stücke davon zu Boden ge- gangen sein, als das was bis zu diesem Zeitpunkt gefunden wurde«, sagt die 29-jährige Nachwuchswissenschaftle- rin mit Meteoritenjagd-Erfahrung: 2012 war sie mit einem Team der Universität Pisa auf Expedition in der Antarktis. In- nerhalb von zwei Monaten hatten die Forscher dort mehr als 100 Meteoriten entdeckt. Meteoritenjagd mit Happy End Fazio fährt nach drei Tagen zurück nach Jena. Harries sucht weiter. Der Frust wächst, die Füße schmerzen. Die über- sichtlichen Ackerflächen hat er inzwi- schen verlassen und streift stattdessen durch Brombeergestrüpp im dichten Wald. Er findet noch immer nichts. Doch dies wäre keine gute Geschichte, wenn sie nicht ein Happy End hätte: Am 3. April, zehn Tage nach Beginn seiner Suche, fällt Dennis Harries am Weges- rand ein ungewöhnlich aussehender schwarzer Brocken von etwa Tischten- nisballgröße auf. »In dem Moment war mir sofort klar, das ist zumindest etwas Ungewöhnliches«, erinnert sich Harries. Vorsorglich fotografiert er die Auffinde- situation, bevor er den Stein vorsichtig aus dem weichen, mit Tannennadeln und kleinen Zweigen gepolsterten Bo- den löst. Als er den Stein in der Hand hält, weiß er, er hat ein Stück des Stu- benberg-Meteoriten gefunden. Was nach dem Happy End folgte, ist Wissenschaftsalltag: Der Meteorit wur- de vermessen, zersägt und mineralo- gisch analysiert. »Es handelt sich bei dem Gestein um einen gewöhnlichen Chrondrit«, sagt Dr. Harries. Für einen Meteoriten sei der »Stubenberg« recht unspektakulär. »Über 80 Prozent aller auf der Erde gefundenen Meteoriten be- stehen aus diesem Material.« Allerdings erlauben diese Steine, die auf der Erde selbst nicht vorkommen, einen Blick in die tiefe Vergangenheit unseres Sonnen- systems. Die Meteoriten stammen aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und sind bereits in der Früh- zeit des Sonnensystems vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren aus dem Sonnennebel entstanden. Sie bestehen daher größten- teils aus der unveränderten Urmaterie unseres Sonnensystems. Meteoritenfalls«, sagt Dennis Harries, der am Lehrstuhl für Analytische Mine- ralogie der Mikro- und Nanostrukturen arbeitet und unter anderem Meteoriten erforscht. Aus den Fotoaufnahmen und Daten zur Wetterlage des Abends ließ sich das Gebiet sehr exakt eingrenzen, in dem der kosmische Brocken zu Bo- den gegangen sein musste. Als wenige Tage später tatsächlich erste Stücke des Stubenberg-Meteoriten gefunden wur- den, hielt es Harries nicht mehr in Jena. Gemeinsam mit seiner italienischen Kollegin Dr. Agnese Fazio macht er sich auf den Weg nach Bayern. »Das berechnete Streufeld umfasste mehrere Quadratkilometer Ackerfläche und Wald«, erinnert sich Harries. Gleich am Tag ihrer Ankunft entdeckt der 35-Jährige ein winziges Fragment des Meteoriten. »Da war mein Jagdfieber geweckt.« Es folgte ein tagelanger Fuß- marsch. Meter für Meter durchkämmen Dennis Harries und Agnese Fazio, wie Dutzende andere Forscher und Hobby- Meteoritenjäger das Gelände – oft skep- tisch beäugt von den Bauern, die darauf warten, dass sie endlich ihre Äcker um- pflügen können. »Berechnungen zufolge musste der Brocken vor seinem Eintritt in die Erdat- Hinter den Kulissen
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