Lichtgedanken 02
Rubrik 42 Nicht nur Überzeugungstäter Während des Zweiten Weltkriegs diente rund eine halbe Million Männer aus den von Deutschland besetzten Ländern in der Waffen-SS. Was sie bewog sich als Freiwillige dieser gefürchteten Truppe anzuschließen, das haben Historiker analysiert und ein Buch darüber veröffentlicht. G E S C H I C H T E TEXT: STEPHAN LAUDIEN Während des Zweiten Weltkriegs zog die Waffen-SS eine Spur von Tod und Verwüstung durch Europa. Die Ein- heiten dieser Elite-Truppe waren ge- fürchtet und verhasst. Dennoch melde- ten sich zahlreiche Freiwillige in von Deutschland besetzten Ländern, um in den Reihen der Waffen-SS zu kämpfen. Ein weiterer großer Teil ausländischer Rekruten wurde zwangsrekrutiert. Ein internationales Forscherteam um Dr. Jochen Böhler vom Imre-Kertész-Kolleg und Prof. Dr. Robert Gerwarth von der School of History des University Col- lege Dublin erkundet seit vier Jahren die Hintergründe des Einsatzes ausländi- scher SS-Leute in Kampfeinheiten und als Wachmannschaften in den Konzen- trations- und Vernichtungslagern. Nun hat die Forschergruppe erste Ergebnisse veröffentlicht. Finanzielle Notlage oder Antikommunismus »Es gab viele unterschiedliche Grün- de, sich der Waffen-SS anzuschließen und zugleich zahlreiche Gemeinsam- keiten«, sagt Dr. Jochen Böhler. Zu den Hauptmotiven gehörten die finanzielle Versorgung des Einzelnen und seiner Familie sowie die Übereinstimmung mit den deutschen Kriegszielen. »Für manche Männer in den besetzten Ost- gebieten bot die Waffen-SS die einzige Chance, den Krieg zu überleben«, sagt Jochen Böhler. Rekrutiert wurden etwa sogenannte Trawniki, größtenteils in Kriegsgefangenenlagern, in denen eine extrem hohe Todesrate herrschte. Den Einsatz unter deutschem Kommando abzulehnen, hätte folglich den nahezu sicheren Tod bedeutet. Hinzu kamen Freiwillige etwa in der Ukraine, deren Staat nicht mehr existierte und die sich nach dem Krieg ein Auskommen in ei- nem großdeutschen Reich versprachen. In Ländern wie Norwegen, Holland oder Frankreich gehörte die Vorstel- lung, gemeinsam mit den Deutschen gegen den Bolschewismus zu kämp- fen, zu den Hauptgründen, der Waf- fen-SS beizutreten. Diese überzeugten Antikommunisten waren es zumeist, die bis zum Schluss an ihren Überzeu- gungen festhielten. Dennoch – auch das ein Ergebnis des Forschungsprojekts »Non-Germans in the Waffen-SS: ACul- tural History« – seien längst nicht alle Waffen-SS-Angehörigen nichtdeutscher Herkunft Verbrecher gewesen: »Es gab Aufstände, Desertion und Widerstand in den Reihen der Hilfstruppen«, so Böhler. Über 25 Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftler in nahezu allen Ländern, aus denen SS-Männer kamen, sind an dem Projekt beteiligt. Sie haben gemein- sam das englischsprachige Buch »The Waffen-SS. A European History« ver- fasst, das Prof. Gerwarth mit Dr. Böhler herausgegeben hat. Dabei wurden geo- graphische Regionen wie Nordeuropa oder Südosteuropa als zusammengehö- rig betrachtet. »Es ist auffällig, dass sich die rassisch begründete Einordnung von Menschen unterschiedlicher Herkunft nahtlos im Bild links: Ausschnitt aus dem Cover der Publikation »The Waffen-SS. A European History«.
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