Lichtgedanken 02
Rubrik 37 02 | LICHT GEDANKEN Wolffia globosa , eine kleine wurzello- se Wasserlinse, hat offenbar das Zeug, ganz groß herauszukommen: Jenaer Wissenschaftler haben in Kooperation mit Fachkollegen in Kerala (Indien) und Deutschland das Potenzial verschiede- ner Wasserlinsen für die menschliche Ernährung untersucht. Die Ergebnisse sind vielversprechend. Veröffentlicht wurden sie in der Fachzeitschrift »Food Chemistry«. »Die Wasserlinsen könnten durchaus als Proteinquelle für die menschliche Ernährung dienen«, sagt Prof. Dr. Ger- hard Jahreis. Nicht von ungefähr wür- den Wasserlinsen »grüne Maschinen« genannt, fügt der Ernährungswissen- schaftler hinzu. Jahreis sagt, die Was- serlinsen seien in ihrem Proteingehalt vergleichbar mit Lupinen, Raps oder Erbsen. So liege der Proteinertrag bei 30 Prozent der Trockenmasse. Insbeson- dere, was die Zusammensetzung der Aminosäuren betreffe – die Bestandtei- le, aus denen Proteine aufgebaut sind – seien die Wasserpflänzchen aus ernäh- rungsphysiologischer Sicht als überaus wertvoll einzustufen. »Sämtliche Ami- nosäuren sind in der von der Weltge- sundheitsorganisation empfohlenen Menge enthalten«, unterstreicht Jahreis. Außerdem enthielten die Pflanzenwinz- linge wertvolle Omega-3-Fettsäuren, wie Stearidonsäure und alpha-Linolen- säure. Der Anteil an Stärke ist in den Wasser- pflanzen vergleichsweise gering. Nur vier bis zehn Prozent der Trockenmasse bestehen aus Stärke, wobei der Anteil entscheidend von den Wachstumsbe- dingungen abhänge. Das mache das grüne Wassergemüse auch als beson- ders kalorienarmes Nahrungsmittel in- teressant, so Jahreis. Rasche Vermehrung ohne zusätzliche Äcker »Die Wasserlinsen vermehren sich sehr rasch, benötigen aber keine zusätzli- chen Anbauflächen«, sagt PD Dr. Klaus Appenroth. Angesichts schwindender Ackerflächen sei das ein enormer Vor- teil gegenüber beispielsweise Soja. Be- reits seit Jahrtausenden würden Was- serlinsen in asiatischen Ländern wie Thailand, Kambodscha und Laos auf dem Speiseplan stehen. Er verweist be- sonders auf die Art Wolffia globosa , die in Asien als Suppe, Gemüsebeilage oder Omelett auf die Tische kommt. In den aktuellen Tests der Forscher- gruppe schnitt Wolffia microscopica am vielversprechendsten ab. Für die vorlie- gende Studie haben die Forscher sechs verschiedene Spezies von Wasserlinsen untersucht: Spirodela polyrhiza aus den USA, Landoltia punctata , Wolffiella hyali- na und Wolffia microscopica aus Indien, Lemna minor aus Deutschland und Lem- na gibba aus Italien. Zunächst sind die Pflanzen in Erlen- meyer-Kolben, wie auf dem Foto (S. 36) zu sehen, in einem Nährmedium 14 Tage lang kultiviert worden. Während dieser Zeit wächst aus wenigen eingesä- ten Pflanzen ein dichter schwimmender Rasen heran. Anschließend kann die grüne Biomasse geerntet und für die chemischen Analysen gefriergetrocknet werden. Erste Versuchsanlagen zur Erzeugung von Entengrütze im großen Maßstab Für größere Anwendungen wird die »Entengrütze« bislang nicht kultiviert, sondern einfach von Gewässern »ge- erntet«, sagt Klaus Appenroth. Der Pflanzenphysiologe hat beinahe sein gesamtes Forscherleben den Pflänzchen gewidmet und unter anderem eine um- fangreiche Sammlung von Lemnaceae (deutsch: Wasserlinsengewächse) ange- legt. Gleichwohl gebe es erste Versuchs- anlagen in Israel und den Niederlanden, in denen Wasserlinsen im industriellen Maßstab – vorrangig zur Biomassepro- duktion – erzeugt werden. Für die künftige Nutzung der Pflanzen in der menschlichen Ernährung spricht auch, so die Autoren der vorgelegten Studie, dass Wasserlinsen problemlos Spurenelemente aufnehmen können, die im Wasser gelöst sind. So ließen sich ernährungsbedingte Mangelerschei- nungen mit geringem Aufwand aus- gleichen. Klaus Appenroth (r.) und Gerhard Jahreis begutachten die umfangreiche Sammlung von Wasserlinsenge- wächsen in ihrem Labor. Vor allem in Asien werden Wasserlinsen bereits heute verzehrt, dort bestehe aber auch der größte Bedarf. Insbesondere im bevölkerungsreichen Indien ist die Ernährung durch den Verzehr von Reis stark stärkelastig, Proteine und Spurenelemente fehlen dafür oftmals in der Nahrung. Hier könnte die Zugabe von Wasserlinsen, die reich an wertvollem Protein und Spurenelementen sind, Abhilfe schaffen, sind die Jenaer Forscher überzeugt. Zudem sind die klimatischen Bedingungen auf dem indischen Subkontinent ideal für den Wasserlinsen- anbau. In der europäischen Küche müsste sich der »Snack aus dem Tümpel« erst etablieren. Denkbar sind Wasserlinsen-Smoothies oder Gebäck, das glutenfrei produziert wird.
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