Lichtgedanken 02

S C HW E R P U N K T 33 02 | LICHT GEDANKEN Das Wartburgfest als Signal für den politischen Aufbruch gehört zu den facettenreichen Ereignissen in der deutschen Geschichte. Doch ohne Jenaer Studierende hätte es die Veranstaltung auf der Burg, die schon Martin Luther einen Unterschlupf bot, vor 200 Jahren so gar nicht gegeben. Das Kalenderblatt: 200 Jahre Wartburgfest TEXT: JULIANE DÖLITZSCH Dass das Wartburgfest im Jahr 1817 untrennbar mit Thüringen verbunden ist, versteht sich aufgrund der Lage der Wartburg in Eisenach von selbst. Schon eher zum Expertenwissen gehört es, dass die Urburschenschaft aus Jena dazu eingeladen und somit den Anstoß für das gemeinsame Fest gegeben hat- te. Nach einem Antrag der Studieren- den hatte die Weimarer Regierung um Großherzog Karl August die Lokalität des Treffens bestimmt. Drei Festanläs- se hatten die Studenten dabei im Blick: das 300. Reformationsjubiläum, das Ge- dächtnis an die Leipziger Völkerschlacht von 1813 sowie die Durchführung eines nationalen Studententreffens. »Salopp formuliert könnte man die Fei- erlichkeiten auch als ›Studentenparty‹ bezeichnen. Erst durch den nachträgli- chen öffentlichen Diskurs und die rasch einsetzenden Verleumdungen wurde das Ganze stark politisch aufgeladen«, ist apl. Prof. Dr. Joachim Bauer vom Universitätsarchiv überzeugt. Einerseits gab es bei der Veranstaltung Reden ge- gen die Kleinstaaterei und für einen Na- tionalstaat und sie war eine ritualisier- te Feier im Sinne der Friedensfeste seit 1814, an der neben 500 Studenten von 13 Universitäten auch die Bevölkerung Eisenachs teilgenommen hat. Sogar Pro- fessoren der Alma Mater Jenensis und Regierungsbeamte waren anwesend. Studenten als ausgleichendes Element Andererseits wurden zentrale innerstu- dentische Belange, wie die Gründung einer an allen deutschen Universitäten verbindlichen »Burschenschaft«, dis- kutiert. Dies spiegelt sich auch im Fest- verlauf wider: Der 18. Oktober galt vor allem dem Andenken an Martin Luther und die Leipziger Völkerschlacht 1813, während am 19. Oktober ausschließlich studentische Themen adressiert wur- den. »Die Jenaer Studenten wirkten während der beiden Tage oft als ausglei- chendes Element zwischen radikaleren Burschenschaften. Den Anstoß für eine nachfolgende Verunglimpfung und die Verfolgung der Burschenschaftler lie- ferte schließlich vor allem die – durch- aus politisch gemeinte – Verbrennung von aristokratischen Symbolen und Buchattrappen am Rande der Veranstal- tung«, erklärt Dr. Stefan Gerber von der Forschungsstelle für Neuere Regional- geschichte Thüringens. Dass das Wartburgfest einen kleinen Meilenstein auf demWeg zur deutschen Nationsbildung darstellte, ist heute unstrittig. Gerade das Verbot der Bur- schenschaften nach 1819 bestärkte dies in ihrer kollektiven Identität und beför- derte das Streben nach einem National­ staat bis in die Zeit der Reichsgründung von 1871. Eines der politischen Symbo- le für die Demokratie wurde ebenfalls vor 200 Jahren geboren: »Die Fahne der Jenaer Burschen, die von den Jenenser ›Frauen und Jungfrauen‹ 1816 gefertigt worden war, bestand aus den Farben schwarz, rot und gold. Und da die Je- nenser auf die Wartburg eingeladen hat- ten, führte ihre Fahne den Festzug an. Seit dem Hambacher Fest 1832 und vor allem während der Revolution im Jahr 1848 hatte sich Schwarz, Rot und Gold als politisches Symbol nun national durchgesetzt«, berichtet Bauer. Die Anlässe für das Wartburgfest waren so vielschichtig wie seine nachträgliche Deutung. Dass die Interpretation des Wartburgfestes nach 200 Jahren noch nicht abgeschlossen ist, beweist die dreitägige Tagung auf der Wartburg vom 11. bis 13. Oktober dieses Jah- res. Dort werden Historiker aus ganz Deutschland »Das Wartburgfest 1817 als europäisches Ereignis« betrachten – und vielleicht einmal mehr auf gänzlich neue Deutungsmuster stoßen. Zug der Burschen auf die Wartburg am 18.10.1817, Heinrich Hose, Kupferstich, undatiert.

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