Lichtgedanken 02
S C HW E R P U N K T 32 Deshalb stand für Dicke fest, dass sei- ne Hochschule Teil einer Lutherdekade sein müsse, als sich während seiner Zeit als Rektor andeutet, dass das Reforma- tionsjubiläum sehr umfänglich began- gen werden soll. »Ich sah darin eine Chance, die theologische Forschung an der Friedrich-Schiller-Universität stärker mit dem Land zu verknüp- fen. Schließlich galt es, das Potenzial des Jahrestages – und damit des Jahr- zehnts – nicht nur zum Feiern, sondern auch für die Wissenschaft zu nutzen.« Deshalb rief er den Initiativkreis »Wis- senschaft und Kirche« ins Leben und beteiligte sich an der Gründung des »Netzwerks Reformationsforschung«. Beides funktioniere bis heute sehr gut und habe sich sowohl als Informations- als auch als Kommunikationsplattform zwischen zahlreichen Institutionen Thüringens etabliert. Zu viel Luther – zu viel »Heldenverehrung« »Das Jubiläum hat in vielen Bereichen für mehr Kenntnis gesorgt. Ob das auch für die Erkenntnis zutrifft, das muss sich erst noch herausstellen«, sagt Klaus Dicke. Ihm ist es ein bisschen zu viel Luther, ein bisschen zu viel Helden- verehrung in den aktuellen Feierlich- keiten. »Luther ist nur einer von einer ganzen Reihe Reformatoren«, sagt er. »Natürlich, die Übersetzung des Neuen Testaments war eine großartige Leis- tung von ihm, aber die Übersetzung des Alten Testaments war bewundernswer- tes Teamwork mit einem nicht weniger wertvollen Ergebnis.« Diese ganze Fo- kussierung auf den einen starken Mann und die Pflege des Mythos des The- senanschlags unterstütze mitunter zu sehr nationalistische Züge, die bei der Erinnerung an ein Ereignis, das halb Europa betroffen habe, fehl am Platze seien. Zudem sehe er den Event-Cha- rakter des Reformationsjubiläums, der inzwischen die Oberhand bekommen hat, sehr skeptisch. Trotzdem freut sich Dicke über vie- les, was in Bewegung geraten ist. »Es wurden im Zuge der Dekade viele Bauprojekte verwirklicht, und viele verschiedenste Themen rund um die Reformation haben eine viel größere Öffentlichkeit erfahren als sonst – etwa ein Film über Luthers Frau Katharina von Bora, der auch die Rolle der Frau in dieser Zeit diskutiert.« Überhaupt habe die Kirche gerade in Ländern wie Thüringen und Sachsen-Anhalt mehr Aufmerksamkeit erhalten. Er selbst hat keinen geringen Anteil daran. Vor al- lem seit seinem Ausscheiden aus dem Rektorenamt treffen regelmäßig Anfra- gen für Vorträge bei ihm ein, durch die er sich immer wieder in alle Veräste- lungen des Themenspektrums vertie- fen muss. »Als Abiturient hätte ich nie damit gerechnet, dass ich mich eines Tages so intensiv mit protestantischer Theologie beschäftigen würde – und dabei jedes Mal neugieriger werde«, zieht Klaus Dicke ein kleines Fazit. »Die Fragen inmeinemKopf sind sicher nicht weniger geworden.« Sich auf die Suche nach den Antworten einzulassen, sehe er als eine große persönliche Bereiche- rung. Denn schließlich gehe es bei allen Unterschieden auch immer wieder dar- um, das Gemeinsame zwischen beiden Konfessionen zu entdecken. Ein Gewinner der Dekade steht für den Altrektor deshalb jetzt schon fest: die Ökumene. Ausgerechnet der Jahrestag der »Spaltung« habe zur engen Bin- dung zwischen beiden Konfessionen beigetragen. »Die Art und Weise, wie man sich gegenseitig auf ein Reforma- tionsverständnis eingelassen hat und dabei versucht hat, die Perspektive des anderen einzunehmen, das stimmt zu- versichtlich«, begründet der Katholik. »Es gab und gibt eine ganze Reihe von gemeinsamen Veranstaltungen und Gottesdiensten, bei denen die Gemein- samkeiten im Mittelpunkt stehen.« Trotz aller Versöhnungsgedanken, »so ein Reformationsjubiläum betrachtet man als Katholik immer auch mit ei- nem weinenden Auge«, gesteht Dicke. »Die Reformation war unter den da- maligen Umständen sicher zwingend notwendig, ob es aber auch die Kir- chenspaltung gebraucht hätte – da bin ich mir nicht so sicher.« Klaus Dicke selbst wird in diesem Jahr noch viel unterwegs sein. Die nächsten Vorträge sind bereits geschrieben. Im Mai steht schließlich der Jubiläumskir- chentag in Jena und Weimar an. Wie er den 31. Oktober – den Jubiläums-Re- formationstag – verbringen wird, das stehe imMoment noch nicht fest. Wahr- scheinlich aber mit Freunden in seinem Wohnort Oettern. Dort ist er der einzige Katholik und akzeptiertes Mitglied der Gemeinde. Allerdings wurde er auf un- gewöhnliche Weise aufgenommen, wie er berichtet: »Kurz nachdem wir dort hingezogen sind, bat mich meine Frau – sie ist Protestantin – in einem Oster- spiel mitzuwirken, da noch ein Dar- steller fehlte. Es war ausgerechnet die Rolle des D. Martin Luther – und den scheine ich sehr überzeugend gegeben zu haben.« Luther als Spielfigur vor der Tür der Wittenberger Schlosskirche. Den Event-Charakter des Reforma- tionsjubiläums sieht Klaus Dicke mit Skepsis.
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