Lichtgedanken 02
S C HW E R P U N K T 16 TEXT: UTE SCHÖNFELDER Reformation vor Ort Papst Leo X. drohte Martin Luther 1520 den Bann an, falls dieser nicht binnen 60 Tagen seine Ansichten wi- derrufe. Luther wies diese Forderung von sich, wie wir heute aus den Geschichtsbüchern wissen. Doch wie sah eine solche Strafandrohung – die so- genannte Bannbulle – eigentlich aus? Welche Form hatten Ablassbriefe und wie sah die Handschrift Martin Luthers aus? Antworten darauf finden Wissenschaftler und Laien im »Digitalen Archiv der Reformation« (www.reformationsportal.de ). Mit dieser Urkunde besiegeln die Mitglieder des Schmalkaldischen Bundes im Jahr 1536 die Verlängerung ihres Vertrages zur Abwehr aller Angriffe in Glaubenssachen. Das 1531 gegründete Bündnis protestantischer Fürsten und Städte unter Führung von Kurfürst Johann Friedrich I. musste sich jedoch 1547 den Truppen von Kaiser Karl V. geschlagen geben. Die Urkunde befindet sich im Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar und ist als eines von rund 750 Dokumenten im »Digitalen Archiv der Reformation« zu finden: www.reformationsportal.de . Rund 750 Schriftzeugnisse aus der Reformationszeit – von der Bannbulle gegen Luther, über persönliche Korrespondenz der Reformatoren bis zu den Protokollen der »Visitatoren«, die im Auftrag des Landesherren die Situation in den Kirchgemein- den im Lande registrierten – umfasst das »Digitale Archiv der Reformation (DigiRef)« im Internet. 2012 geplant und ab 2013 umgesetzt, ist das Digitalisierungsprojekt von den Staatsar- chiven aus Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hessen gemein- sam getragen worden. Neben dem Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar gehört auch die Thüringer Uni- versitäts- und Landesbibliothek (ThULB) zum Projektkon- sortium und hat vor allem für die technische Umsetzung des Online-Portals gesorgt. Zudem gewährleistet die ThULB über die Multimediaplattform UrMEL (Universal Multimedia Elec- tronic Library) die Verknüpfung des Reformationsportals mit weiteren reformationsspezifischen Quellen, etwa der Samm- lung des engen Luther-Mitarbeiters Georg Rörer. Das Reformationsportal, das sich an Historiker, Theologen und Laien gleichermaßen richtet, gliedert sich in zwei Berei- che. Im Ausstellungsmodul – dem »Schaufenster« – werden Zeitzeugnisse zum Reformationsgeschehen präsentiert. »Alle Dokumente sind als hochaufgelöstes Bild einsehbar, die Origi- nal-Texte wurden transkribiert und in heutiges Deutsch über- tragen«, erläutert Dagmar Blaha, Projektkoordinatorin vom Hauptstaatsarchiv Weimar. Der zweite Bereich des Portals ist mit einem Forschungsmodul den »Visitationsprotokollen« der Reformationszeit gewidmet (siehe auch Interview auf S. 17). Für jedes untersuchte Terri- torium in den mitteldeutschen Kernländern der Reformation sind die Protokolle für die jeweils erste Visitation nach Einfüh- rung der Reformation dokumentiert. 118 Archivalien aus dem mitteldeutschen Raum sind dafür ausgewählt worden. Dieser Bestand ermöglicht eine gezielte Suche nach Orten und Perso- nen. So lässt sich auch für den historisch interessierten Laien herausfinden, wann die Reformation im eigenen Ort einsetzte und auf welche Resonanz sie stieß.
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