Lichtgedanken 02
S C HW E R P U N K T 13 02 | LICHT GEDANKEN Grabplatte Martin Luthers in der Jenaer Stadtkirche St. Michael. Nach Luthers Tod von Johann Friedrich I. in Auftrag gegeben, war das Bronze-Epitaph für Luthers Grab in der Wittenberger Schlosskirche be- stimmt, gelangte jedoch nie dorthin. Seit 1571 ist die Platte im Besitz der Universität. Einschneidend für die Stadt und ihre Entwicklung bis heute waren vor al- lem die Folgen der Reformation. Nach Luthers Tod im Jahr 1546 führte Kaiser Karl V. Krieg gegen den »Schmalkaldi- schen Bund«, ein Bündnis protestanti- scher Landesfürsten, um Reformation und Protestantismus im Land zurück- zudrängen. An der Spitze des Schmal- kaldischen Bundes stand neben dem hessischen Landgrafen Philipp auch Jo- hann Friedrich I. von Sachsen. Das Bündnis musste sich 1547 den kai- serlichen Truppen geschlagen geben, Johann Friedrich I. – von den Jenaern heute liebevoll Hanfried genannt – ge- riet in Gefangenschaft und verlor große Teile seiner Ländereien. Auch Witten- berg und seine Universität musste er abtreten. Der überzeugte Anhänger der lutherischen Reformation gründete da- her 1548 in seinem verbliebenen Herr- schaftsgebiet, genauer im ehemaligen Dominikanerkloster in Jena die »Hohe Schule«. Zehn Jahre später wurde diese in den Stand einer Universität erhoben. »Die Gründung der Universität ist wohl die bis heute sichtbarste Folge der Re- formation für Jena«, macht Prof. Dr. Christopher Spehr deutlich. Der Inha- ber des Lehrstuhls für Kirchengeschich- te ist Beauftragter des Präsidiums der FSU für das Reformationsjubiläum (In- terview S. 20). »Von Beginn an sollte die Universität in Jena das ›bessere Witten- berg‹ sein.« Das Fürstenhaus der Ernestiner, dem Johann Friedrich I. angehörte, unter- stützte die reformatorischen Ideen und machte sich für den lutherischen Glauben stark. Von Wittenberg ließen die Ernestiner ihr Archiv von Schriften und Drucken nach Weimar transportie- ren; die kurfürstliche Bibliothek – die Bibliotheca Electoralis – gelangte nach Jena und gehört heute zum Bestand der Thüringer Universitäts- und Landesbi- bliothek (ThULB). Darunter befinden sich Luthers Handexemplare des Alten und Neuen Testaments mit handschrift- lichen Eintragungen. Weitere Samm- lungen protestantischer Schriften und Kulturgüter kamen im Laufe der Jahr- hunderte hinzu; um das Erbe Luthers zu bewahren veranlassten die ernestini- schen Herzöge zudem – in Konkurrenz zur Wittenberger – eine Jenaer Ausgabe sämtlicher Schriften Luthers. 1554 wur- de in den Räumen des Jenaer Karmeli- tenklosters am heutigen Engelplatz eine Druckerei eingerichtet. 1555 bis 1558 er- schien dort die Erstauflage der »Jenaer Lutherausgabe«. Wissenschaftliche Netzwerke etabliert – Zeitzeugnisse öffentlich gemacht All dies bildet heute die Grundlage zahlreicher Forschungsvorhaben, die im Laufe der zurückliegenden Luther- dekade unter der Federführung der FSU in Thüringen Erkenntnisse hervorge- bracht, mit Symposien und Publikatio- nen zur wissenschaftlichen Auseinan- dersetzung mit der Reformation und ihren Ideen beigetragen sowie ein akti- ves Netzwerk zwischen Forschungsein- richtungen, Archiven und Bibliotheken geknüpft haben. Vor allem aber hat die Jenaer Reforma- tionsforschung den Weg geebnet, die einzigartigen Dokumente aus der Zeit Luthers einer breiten Öffentlichkeit zu- gänglich zu machen und diese nach- haltig der Wissenschaft zu erhalten: Im »Digitalen Archiv der Reformation« (S. 16) sind diese für jedermann einzusehen und auch die Ausstellung »Luther und die Deutschen« (S. 14), die bis Novem- ber auf der Wartburg zu sehen ist, haben Wissenschaftler der FSU maßgeblich mitgestaltet. Auf den folgenden Seiten werden diese sowie weitere Forschungsprojekte und ihre Ergebnisse vorgestellt.
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