Jahresbericht 2020-2021

Thermisches Vorspannen auch für besonders dünne Gläser Prof. Dr.-Ing. Lothar Wondraczek erhält „ERC Proof of Concept Grant“ des Europäischen Forschungsrates Zwei neue von der Carl-Zeiss-Stiftung geförderten Projekte haben im Berichtszeitraum ihre Arbeit aufgenommen, die sich mit der Erforschung neuer intelligenter Materialien befassen: Prof. Dr.-Ing. Lothar Wondraczek leitet das Vorhaben „Intelligente Substrate: Schaltbare Grenzflächen auf Basis multiresponsiver Hybridmaterialien“. Ziel ist es, programmierbare Materialien zu entwickeln, die Grenzflächen zwischen organischer und anorganischer oder belebter und unbelebter Materie gezielt schaltbar machen. Im Vordergrund steht dabei die Kopplung optischer Anregung und elektrischer, mechanischer oder chemischer Sekundärwirkungen mit dem Ziel, Grenzflächenpotentiale, elektrische und elektronische Zustände, Polarität oder Morphologie reversibel zu manipulieren. Die Stimulation durch Licht soll insbesondere schnelle und ultraschnelle, räumlich aufgelöste oder flächige Schaltvorgänge ermöglichen, die durch langsamere chemische Wechselwirkungen oder statische Felder modulierbar sind. Die CarlZeiss-Stiftung fördert das Vorhaben im Programm „Durchbrüche“ seit 2020 für fünf Jahre mit rund 4,5 Millionen Euro. Das zweite Vorhaben erforscht Vitrimere — eine neue Klasse von Kunststoffen, die sich selbst heilen, intelligente Eigenschaften aufweisen und bei Bedarf recycelt werden können. Das von Prof. Dr. Ulrich S. Schubert geleitete Projekt fördert die Carl-Zeiss-Stiftung im Programm „Perspektiven“ seit Januar 2021 für fünf Jahre mit rund zwei Millionen Euro. Die sogenannten Vitrimere sollen Gebrauchsgegenstände nicht nur langlebiger machen. Sie können auch leichter wiederverwertet werden, denn ihre Verarbeitbarkeit kann gesteuert werden. So lassen sich theoretisch Verbundwerkstoffe herstellen, die bei Bedarf wieder getrennt und weiter genutzt werden können. Genau das will das Forschungsteam erforschen. Der Fokus liegt vor allem auf faserverstärkten Werkstoffen sowie auf Nanokompositen, in denen Nanofüllstoffe das Material verstärken (siehe S. 71). FORSCHUNG — 33 Intelligente Substrate und intelligente Kunststoffe Carl-Zeiss-Stiftung fördert zwei Projekte mit insgesamt rund 6,5 Millionen Euro Um die Festigkeit von Glas zu erhöhen und somit eine größere Haltbarkeit zu garantieren, spielt in der Industrie seit Jahrzehnten der Prozess des thermischen Vorspannens eine große Rolle, welcher jedoch mehreren technologischen Grenzen unterliegt. Materialwissenschaftler der Universität Jena haben nun ein Verfahren weiterentwickelt, das die Limitierung des thermischen Vorspannens auf Glasdicken im Millimeterbereich beseitigen könnte und den Prozess zudem auf ganz neue Glastypen anwendbar macht. Der Europäische Forschungsrat unterstützt Prof. Dr. Lothar Wondraczek bei der weiteren Entwicklung des Prozesses: Für das Projekt „enjulii“ erhält er den renommierten „ERC Proof of Concept Grant“. Entscheidend für den Vorspannprozess ist, wie schnell die Wärme dem erhitzten Glas über seine Oberfläche entzogen werden kann. Die Forschenden haben daher ein Verfahren entwickelt, bei dem das Glas nicht an Luft, sondern in einem flüssigen Kühlmedium vorgespannt wird. Eine Herausforderung dabei war es, geeignete Kühlmittel zu finden, die bereits nahe der Raumtemperatur flüssig sind, jedoch selbst bei Temperaturen deutlich über 800 Grad Celsius noch nicht verdampfen. Auf diese Weise lässt sich das thermische Vorspannen auch auf besonders dünne und auf unkonventionell geformte Gläser erweitern. Das Verfahren soll nun auch in die Praxis überführt werden. Zum einen könnten so aufwendigere, teurere und umweltschädlichere Methoden zur Verbesserung der Festigkeit dünnwandiger Gläser abgelöst werden. Zum anderen ließe sich der Einsatz von Glas als Material erweitern, beispielsweise in der Elektrotechnik. Dr. Stefan Zechel von der AG Schubert untersucht das Formgedächtnisverhalten von Kunststoffen. Dabei wird gezeigt, wie ein Kunststoff in einer deformierten Form (links) in seine ursprüngliche Form (rechts) zurückkehrt. Foto: Jens Meyer

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