Jahresbericht 2020-2021

Bioaktive Gläser zeigen sehr schnelle Korrosionsprozesse im Kontakt mit wässrigen Lösungen. Sie geben dabei über einen Ionenaustauschprozess Ionen an das wässrige Medium ab und bilden eine kristalline Oberflächenschicht, die üblicherweise aus nanokristallinem, biomimetischem Apatit besteht (Abb. 2-1). Die Zahl und Art der sich bildenden Phasen hängt jedoch von der Glaszusammensetzung und der Reaktivität ab. Üblicherweise wird Löslichkeit bioaktiver Gläser Hybridmaterialien bestehen aus einer organischen und einer anorganischen Komponente und profitieren von der synergistischen Verknüpfung von oftmals gegenteiligen Eigenschaften. Im Rahmen dieses durch die Carl-Zeiss-Stiftung geförderten Projekts (Teilprojekt in CZS-Durchbrüche: „Intelligente Substrate: Schaltbare Grenzflächen auf Basis von multiresponsiven Hybridmaterialien“) werden multiresponsive Hybridmaterialien auf Basis von bioaktiven Gläsern und schaltbaren, wasserlöslichen Polymeren synthetisiert. Diese Polymere reagieren auf unterschiedliche Faktoren (‚Stimuli‘), wie etwa Licht, Metallionen, pH-Wert oder Temperatur, mit einer Änderung der physiochemischen Eigenschaften. Um schaltbare Hybridmaterialien zu erhalten, wurden bioaktive Gläser oberflächig mit schaltbaren Polymeren funktionalisiert. Diese Abb. 3. Schematische Darstellung der Funktionsweise von Hybriden aus bioaktivem Glas und schaltbarem Polymer. Intelligente Substrate: Schaltbare Grenzflächen auf Basis multiresponsiver Hybridmaterialien Links Abb. 2-1. Schematische Darstellung der Reaktionen zwischen bioaktiven Gläsern und physiologischen Lösungen. Rechts Abb. 2-2. TEM-Bilder bioaktiver Gläser: (a,b) vor dem Kontakt mit Wasser, (a) eine Probe zeigt amorphe Phasenseparation (schwarze Pfeile) sowie durch den Elektronenstrahl verursachte Artefakte (weiße Pfeile), (b) eine andere Probe zeigt kristalline Bereiche. (c,d) Glaspartikel nach 7-tägiger Immersion in simulierter physiologischer Lösung zeigen kristalline Bereiche. dieser Prozess mit Röntgenbeugung und Infrarotspektroskopie sowie Elektronenmikroskopie verfolgt. Hier visualisieren wir die Oberflächenmineralisierung in einer Reihe von bioaktiven Gläsern zusätzlich mit Hilfe von Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) mit energiedispersiver Röntgenspektroskopie und Nano-Computertomographie (Nano-CT). TEM-Untersuchungen zeigten das Vorhandensein von Phosphatclustern in den unbehandelten Gläsern (Abb. 2-2). Eine Kombination von Analysemethoden, einschließlich FestkörperNMR-Spektroskopie, zeigt, dass mit zunehmendem Phosphatgehalt im Glas die Bildung von Calciumfluorid während der Immersion durch Fluorapatit abgelöst wird. Nano-CT gab Einblick in die Morphologie der bioaktiven Glaspartikel nach der Immersion, während TEM veranschaulichte, wie sich Veränderungen in der Zusammensetzung des Glases auf die Mikrostruktur auf Submikron- bis Nanometerebene auswirken (Abb. 2-2). [4] Contreras Jaimes A. T., et al. (2021): Nano‑imaging confirms improved apatite precipitation for high phosphate/silicate ratio bioactive glasses. Scientific Reports, DOI: 10.1038/s41598-021-98863-3. [5] Salazar D.A.A., et al. (2021): Unravelling the dissolution mechanism of polyphosphate glasses by 31P NMR spectroscopy: ligand competition and reactivity of intermediate complexes. Dalton Transactions, DOI: 10.1039/D0DT03381B. [6] Jablonská E., et al. (2020): A review of in vitro cell culture testing methods for bioactive glasses and other biomaterials for hard tissue regeneration. Journal of Materials Chemistry B, DOI: 10.1039/D0TB01493A. organische Hülle lässt sich anschließend durch entsprechende Stimuli schalten, etwa von hydrophil zu hydrophob. Dies erlaubt es, die Lösungseigenschaften der Hybride, und somit des bioaktiven Glases, gezielt zu variieren und einzustellen (Abb. 3). FORSCHUNG — 113

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