Jahresbericht 2018-2019
Lehrstuhl für Glaschemie Prof. Dr.-Ing. Lothar Wondraczek Forschungsschwerpunkte Forschungsschwerpunkt des Lehrstuhles ist die Ableitung topo-chemischer Prinzipien in nichtkristallinen Festkörpern und unterkühlten Flüssigkeiten, deren thermokinetische Beschreibung sowie die Übertragung in neuartige Materialzustände. Anwendungsseitig von besonderem Interesse sind dabei zur Zeit vor allem die Strukturbildung in ungeordneten Festkörpern, die Strukturdynamik sowie optische und lokale (nano-)mechanische Eigen- schaften anorganischer Gläser am Übergang zwischen kovalent, ionisch und metallisch gebundenen Systemen. Am Lehrstuhl werden dafür moderne Methoden der optischen Spektroskopie, hier vor allem hochauf- lösende Vibrations-, Absorptions– und Fluoreszenzspektroskopie, der nanomechanischen Material- und Oberflächencharakterisierung sowie der in situ Analytik angewandt und weiterentwickelt. In Kooperation mit zahlreichen nationalen und internationalen Industriepartnern erfolgen konkrete Materialentwicklungen bis hin zum Systemdesign, beispielsweise in den Bereichen funktioneller Fassa- den- und Fensterelemente, hochfeste Glassubstrate, Dentalmaterialien sowie funktionale Lichtleiter. Abb. 1. Mechanische Eigenschaften eines MOF- Glasses. Hybride Netzwerkgläser durch thermisch induzierten Kollaps mesoposröser Strukturen. Bild aus: JACS 141, 1027 (2019). Nichtkristalline Werkstoffe sind in Form von mas- siven Gläsern, Fasern, Schichten und Partikeln material- und prozessklassenübergreifend Schlüsselkomponenten in einer Vielzahl von An- wendungen. Über die klassische schmelzebasierte Prozessierung dieser Materialien hinaus bietet zum Beispiel auch die Abscheidung amorpher Kondensate aus Flüssig- und Gasphasen hochin- teressante Möglichkeiten für die Entwicklung funktionaler Werkstoffarchitekturen. Gerade in modernen Anwendungen der Optik, Photonik und Energietechnik sind solche Synthesewege bereits heute oft unerlässlich. Ein verbindendes Element zwischen allen nichtkristallinen Werkstofftypen liegt in ihrer mo- lekularen Struktur, welche keine Periodizität oder anderweitige Regelmäßigkeit besitzt. In diesem Kontext besteht die große Herausforderung der Materialforschung darin, Ordnung in der Unord- nung zu finden, das heißt, trotz der Abwesenheit klarer, wiederholbarer und auf einen makroskopi- schen Werkstoff anwendbarer struktureller Prin- zipien und atomistischer Bauregeln physikali- sche Zusammenhänge zwischen Synthese, Strukturbildung sowie den resultierenden Materi- aleigenschaften abzuleiten. Erschwert wird dies durch die noch immer fundamental nicht ver- standene Strukturdynamik in tief unterkühlten oder eingefrorenen Flüssigkeiten. Ein solches Verständnis würde aber eine Korrelation von Pro- zess- und Strukturdynamik ermöglichen und zu neuen, bisher physikalisch nicht erzeugbaren Materiezuständen führen. Diese Fragestellung und ihre Generalisierung bildet den zentralen Bestandteil der durch den ERC-Grant „UTOPES“ unterstützten Arbeiten. In einem Aspekt werden hier analog zu nicht-ergodischen Erstarrungspro- zessen auch nicht-konventionelle fest-flüssig- Übergänge untersucht. So bieten Kollapsreaktio- nen in mesoporösen Kristallen Einblicke in die Kinetik von Schmelzprozessen. Forschungsprofil 90 — FORSCHUNG
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