Jahresbericht 2018-2019

Aufgrund ihrer amorphen Struktur und fehlenden Fernordnung ist eine Charakterisierung des ato- maren Aufbaus von Gläsern anspruchsvoll. Ein vertieftes Verständnis des Zusammenhangs zwi- schen ihrer Struktur, Zusammensetzung und Ei- genschaften ist jedoch Voraussetzung dafür, ein wissensbasiertes Protokoll für das gezielte Ein- stellen von Glaseigenschaften abzuleiten. Ziel ist es, experimentelle Eigenschaftsuntersuchungen mit strukturchemischen Modellen zu verbinden und daraus Strategien abzuleiten, wie Glaseigen- schaften präzise eingestellt werden können. Silicophosphatgläser enthalten bei geeigne- tem SiO 2 zu P 2 O 5 -Verhältnis sechsfach koordi- niertes Silizium (BR4608/5 im Rahmen von SPP 1594). Ihre Eigenschaften, neben der chemischen Beständigkeit vor allem auch ihre mechanischen Eigenschaften, können durch den Einbau von Al 2 O 3 optimiert werden (Abb. 2), um sie beispiels- weise für optische Anwendungen einsetzen zu können. Ein verbessertes Verständnis davon, wie die Eigenschaften dieser Gläser durch ihren ato- maren Aufbau beeinflusst werden, kann hier da- zu beitragen, neue Anwendungsbereiche für die- se Materialien zu erschließen. In einem weiteren aktuellen DFG-Projekt (BR 4608/4) wird das Lös- lichkeitsverhalten von Phosphatgläsern mecha- nistisch untersucht. Dazu werden im Glas vor- handene Strukturelemente mit Strukturelemen- ten verglichen, die sich während des Lösens in wässrigen Medien bilden. Strukturuntersuchun- gen erfolgen durch Kombination von hauptsäch- lich Raman-, Infrarot- und Festkörper- Kernresonanz-Spektroskopie. [4] Nizamutdinova A., et al. (2018): The structural role of alumina in alkaliphosphosilicate glasses: A multinuclear solid state NMR study. Physics and Chemistry of Glasses, DOI: 10.13036/17533562.59.6.042. [5] Sawangboon N., et al. (2019): Modification of silicophosphate glass composition, structure, and properties via crucible material and melting conditions. International Journal of Applied Glass Science, DOI: 10.1111/ijag.13958. FORSCHUNG — 89 Glasstruktur vs. Eigenschaften Durch gesteuerte Temperaturbehandlung von Gläsern können gezielt bestimmte Kristallphasen in einer amorphen Matrix erhalten und somit neuartige Eigenschaftskombinationen erreicht werden. Bestehen Barium-Fresnoit (Ba 2 TiSi 2 O 8 , BTS)-Glaskeramiken (Abb. 3) aus orientierten Kristallen, bildet sich eine makroskopisch polare Struktur aus, aufgrund derer die Glaskeramiken pyroelektrische, piezoelektrische sowie nichtline- are optische Eigenschaften zeigen. Orientierte Kristallschichten können beispielsweise durch Oberflächenkristallisation generiert werden. Bei der Oberflächenkristallisation erfolgt die Kristall- orientierung primär mittels Wachstumsselektion, weshalb die orientierte Schicht erst einige Mikro- meter unterhalb der Oberfläche beginnt. Da ihre Eigenschaften durch die darüber liegende, an- ders orientierte Oberflächenschicht beeinträch- tigt werden, ist deren Minimierung erwünscht. Die genauen Mechanismen, die zur Ausbildung orientierter Oberflächenkristalle führen, sind bis- her jedoch noch nicht bekannt und machen de- taillierte Kristallisationsstudien erforderlich. Glaskeramiken Abb. 3. Dreidimensionale Darstellung einer Aufnahme einer BTS-Glaskeramikmittels Laser-Scanning-Mikroskopie. Abb. 2. Ab- hängigkeit der elastischen Eigenschaften von Silico- phosphat- gläsern vom Aluminiumoxid- Gehalt.

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